KT-07 - Wie man Überfahrten meistert

verfasst 2010 - geändert am 09.01.2011

 


Wenn ich mit dem Kajak einen breiten Fluss queren, zu einer Insel hinüber fahren oder über eine Bucht paddeln will, gibt es mehrere Möglichkeiten diese Passagen durchzuführen.

1 - einfache Überfahrt

Man sitzt im Kajak, richtet die Spitze des Bugs zum Ziel und legt los. Dies ist praktikabel, wenn keine Strömung und nur wenig Wind vorhanden ist oder kein bestimmter Zielpunkt (z.B.: über einen Fluss, nur an das andere Ufer, von Insel zum Festland usw.) erreicht werden muss. - Es handelt sich dabei um den denkbar einfachste Fall.

Bei einem Fluss ist das Problem einer Überfahrt am leichtesten zu erkennen. Die Strömung versetzt den Kajak flussabwärts. Und zwar in der Zeit, die der Kanute benötigt, um über den Fluss zu paddeln und auf einer Strecke, diei hn durch die Strömungsgeschwindigkeit des Wassers in dieser Phase versetzt.

Um sich ein Bild zum leichteren Verständnis zumachen, hier zwei Beispiele:

Nach offiziellen Angaben liegt die Fließgeschwindigkeit der Donau zwischen 5 und 15 km/h. Sie ist aller- dings auch vom jeweiligen Wasserstand (Hoch-, Mittel-, Niedrigwasser) abhängig.

Die Donau an der Fähre in Eining vor dem Donaudurchbruch bei Weltenburg ist rund 110 m breit, die Fließgeschwindigkeit beträgt grob geschätzt 1 m/s = 3,6 km/h, als Paddelgeschwindigkeit werden gemüt- liche 5 km/h = 1,39 m/s angenommen. Für die Überfahrt würde der Kanute rund 79 Sekunden = 1,3 min benötigen. In der Zeit versetzt ihn die Strömung um 79 m flussabwärts.

An der Verzweigung der Donau in die Delta-Arme nach Ismail und nach Tulcea an der Grenze Ukraine und Rumänien misst die Donau 610 m, aber die Fließgeschwindigkeit liegt dort infolge der Verbauung und Flussverengung wesentlich höher. Weil ich gegen die Strömung kaum mehr anpaddeln konnte, musste sie größer als 10 km/h gewesen sein, das wären dann rund 2,78 m/s. Die Überfahrt würde bei wieder gemütlichen 5 km/h = 1,39 m/s Paddelgeschwindigkeit 439 s = 7,3 min dauern. Der Versatz errechnet sich dann allerdings auf rund 1220 m.

Wenn man da nicht aufpasst, ist man an dem Abzweig vorbeigetrieben, wie es mir auf meiner Donaufahrt 2004 ergangen war. Weil ich die Linkskurve geschnitten hatte, bemerkte ich die Verzweigung Ismail / Tulcea auf der rechten Flussseite rund 1,5 km vor mir viel zu spät. Ich schaffte es nicht mehr rechtzeitig über den Fluss zu kommen und trieb knapp an der Buhne, die den Abzweig markierte, vorbei in den falschen Seitenarm in Richtung Ismail. Ich hatte alle Hände voll zu tun, um aus dem Kehrwasser heraus, um die Buhne zu paddeln. Es ging nur langsam voran und als ich es geschafft hatte, war ich es ebenso und anschließend froh, dass die Strömung mich in Richtung Tulcea weitertrug und ich mich ein wenig ausruhen konnte.

Ich hatte in diesem Fall die direkte Querung durchgeführt, war einfach über den Fluss in nahezu senk- rechtem Winkel gepaddelt und wurde entsprechend flussab versetzt. Ich beschrieb auf der Donau die klassische Hundekurve (siehe Punkt 2).

Der nächste Abzweig nach 18 km, rund 8 km nach Tulcea in den mittleren Arm nach Sulina war ebenfalls kaum auszumachen. Ich dachte eigentlich, es würde der breitere Kanal sein - war es aber nicht. Ich fuhr sicherheits halber schon am linken Ufer entlang und fragte dann einen Fischer: „Sulina?“ und deutete auf den breiten Kanal. Der schüttelte energisch den Kopf und winkte mit dem Arm in Richtung des schmalen Abzweigs. Ich bedankte mich mit einem „Thank you!“ und einem Winken, das er grinsend erwiderte. Aber erst als ich wieder an einem Kilometrierungsschild vorbei- und mir dann auch noch ein Fahrgastschiff entgegenkam, war ich mir auch wirklich sicher, den richtigen Deltaarm nach Sulina erwischt zu haben.

2 - Hundekurve

Die Hundekurve ist eine Abart von Punkt 1, eigentlich die normale Folge, wenn man zu einem bestimmten Ort gelangen will und vorbeigetrieben wird. Hier zeigt der Bug immer zum Ziel. Das heißt, wenn die Was- sermassen einen abtreiben, wird der Winkel zum Ziel immer steiler und richtet sich allmählich entgegen die Strömung bis man am anderen Ufer angelangt ist und im schlechtesten Fall das letzte Stück im Kehr- wasser zurück zum Ziel paddeln muss. Die Querung beschreibt einen Bogen flussabwärts der in der Nähe des gegenüberliegenden Ufers immer enger wird. Man nennt diesen typischen Kurvenverlauf eine Hunde-kurve, weil Hunde, wenn sie über einen Fluss/Bach schwimmen, ebenfalls nur ihr Ziel vor Augen haben und es unbedingt erreichen wollen, auch wenn sie abgetrieben werden.

Um an einen bestimmten Punkt zu kommen, gibt es andere Möglichkeiten, die wesentlich eleganter wirken, als die zuvor beschriebenen.

3 - Seilfähre

Sehr effektiv ist die Seilfähre, um über eine Fluss in gerader Linie zu einem bestimmten Punkt am genau gegenüberliegenden Ufer zu gelangen. Man dreht den Kajak flussauf und paddelt von Haus aus gegen die Strömung in einem angemessenen Winkel zwischen 45 und 10 Grad zum fließenden Wasser, um einen seitlichen Vortrieb zu erhalten, damit man über den Fluss kommt. Das Augenmaß reicht bei einer Fluss-querung in der Regel aus. Je größer die Fließgeschwindigkeit ist, um so steiler muss der Anstellwinkel gesetzt werden, um so länger dauert aber dann die Querung.

Bei großen Überfahrten, zum Beispiel über Buchten ist das Schätzen des Anstellwinkels schwierig. Ist die Fließgeschwindigkeit der Strömung aber bekannt, kann man den Anstellwinkel zeichnerisch aus der Seekarte ermitteln. Man trägt den gewünschten Kurs in die Seekarte ein. Am Startpunkt zeichnet man die Fließgeschwindigkeit (z.B. 1,5 kn = 2,8 km/h = 0,771 m/s und die Richtung in Grad als Vektor ein. Am Endpunkt des Vektors (Vektorspitze) schlägt man mit dem Zirkel (alternativ bringt ein Lineal oder Kursdreieck das selbe Ergebnis) einen Kreis mit der Paddelgeschwindigkeit (z.B. 5 km/h = 2,7 kn). Wichtig dabei ist, dass die geraden Vektorlinien immer nur mit den selben Einheiten (z.B.:nur kn, nur km/h, nur m/s - unterschiedliche Einheiten müssen in eine einzige physikalische Einheit umgerechnet werden, siehe unten unter „PS“) und mit dem gleichen Maßstab angetragen werden dürfen. Die Gerade vom Vektorendpunkt zum Schnittpunkt des Kreises mit dem Kurs ergibt den Anstellwinkel, den man am Kompass (berichtigt mit der Missweisung) anlegen muss, um auf der direkten Kurslinie die Querung durchführen zu können.

 

4 - Querung aus idealer Position

Bei einer Überfahrtvon der Küste zu einer Insel, ist es am günstigsten, sich an der Küste eine Startpo-sition zu suchen, die eine gerade Überfahrt ermöglicht und von der aus die Strömung den Kajak zur Insel treibt. Der Vorgang ist in Punkt 1 beschrieben, nur muss man statt der Abtrift die Vorlage festlegen, das heißt, man muss bei gleichem Kurs (in der Regel die kürzeste Entfernung von der Küste zur Insel), den Startpunkt um den Versatz der Abtrift stromausfwärts verlagern. Wenn man schon mit der Strömung an der Küste entlang gepaddelt ist, spart man sich sogar ein Stück des Wegs und lässt die Strömung fürsich arbeiten.

Am besten ist es, wenn man sich bereits vor Antritt der Reise die Informationen bei geplanten Überfahrten aus dem Internet, Strömungskarten, Nautische Handbücher usw. besorgt. Ich stelle mir die möglichen Überfahrten bereits zu Hause zusammen und liste sie in einer Tabelle auf. Hier sind auch eventuelle Strömungen bereits berücksichtigt. Allerdings kommen Strömungen, von der Dünung und dem Wind einmal abgesehen, im Mittelmeer nicht so zur Geltung. An der Atlantik- und Nordsee-Küste müssen sie (Gezeitenströme usw.) unbedingt beachtet werden.

PS: Zum leichteren Umrechnen von Knoten (kn), Seemeinen pro Stunde (sm/h), Kilometer pro Stunde (km/h) und Metern pro Sekunde (m/s) nachfolgend einige hilfreiche Angaben:

1 kn = 1 sm/h = 1,852 km/h = 0,51444... m/s (gerundet 0,514 m/s)

1 km/h = 0,27777... m/s (gerundet 0,278 m/s) = 0,5400 kn = 0,5400 sm/h

1 m/s = 3,6 km/h = 1,9438 kn = 1,9438 sm/h