KT-04 - Kleine Betrachtung zur Sicherheit im und auf dem Salzwasser
verfasst 2010 - geändert am 07.01.2011
Für mich bedeutet das Leben „draußen“ eine gewisse Art der Selbstverwirklichung. Wenn ich als „Einsamer Wolf“ unterwegs bin, dann fühle ich mich frei, selbständig, auf mich alleine angewiesen, nur für mich selbst verantwortlich.
Und es macht Spaß: ein gestecktes Ziel zu verfolgen und es auch nach Möglichkeit zu erreichen. Es ist dabei gleichgültig, welche Aufgabe man sich stellt: sei es zu einem örtlichen Bestimmungsort zu gelangen wie zum Beispiel bei mir heuer,die Lücke zwischen Kroatien und Griechenland zu schließen und die montenegrinische und albanische Küste abzupaddeln oder sei es die Ausrüstung für mich zu optimieren, das Wissen über Navigation,Wetterkunde, Nautik und Outdoor-Leben zu verbessern oder sich einfach körperlich fit zu halten.
Die größte Aufmerksamkeit lege ich allerdings auf die Sicherheit meines Tuns. Alles was über eine bestimmte, von mir gesetzte Grenze hinausgeht, verwerfe ich und ich bin mir dabei nicht zu schade zuzugeben, dass es meine Leistungsfähigkeit überfordert. So geriet ich heuer 3-mal in eine nicht direkt vorhersehbare Grenzsituation, die ich dank des vorgegebenen Limits aber auch durch vorausschauende Suche nach Alternativen problemlos überwinden konnte.
Das begann schon am ersten Tag, als ich in Grado meinen Kajak beladen hatte und hinüber zum Leuchtturm nach Savudrija paddeln wollte. Es herrschte Südwind, Wind und Wellen standen also gegen mich mit 4 Beaufort,bereits zu 5 neigend. Die 21 km schafft man doch locker, dachte ich, setzte mich in aller Frühe in den Kajak und paddelte los. Ich hatte ja ausreichend Zeit, den ganzen langen Tag.
Bei meiner ersten Überfahrt im Jahre 2002 kam der Wind von Ost, also von der linken Seite, bei ähnlicher Windstärke und ich erreichte den Leuchtturm ohne Probleme. Den Kompasskurs wusste ich noch aus meinen alten Aufzeichnungen und hielt ihn strikt ein. Das Festland von Slowenien und Kroatien lagen deutlich erkennbar vor mir und nach rund 4 Stunden erspähte ich bereits den Leuchtturm im Vormittagsdunst, mein erstes geplantes Etappenziel.
Bei der ersten Überfahrt vor 8 Jahren trieb mich die Strömung quer auf die offene See und ich musste sie mit einem abgeänderten Kompasskurs ausgleichen. Heuer lief die Drift direkt gegen mich, so dass keine Korrektur nötig war.
Je mehr ich mich aber dem Leuchtturm näherte, um so langsamer wurde meine Geschwindigkeit und somit um so kürzer auch die zurückgelegte Strecke. Diese kontrollierte ich an der Silhouetten-Verschiebung der Berge querab oder der Höhen-Versetzung hintereinander gestaffelter Berge, Klippen oder Gebäude zueinander direkt vor mir. Es waren noch ungefähr 6 bis 7 km bis zum Leuchtturm, da stellte ich zu meinem Schrecken fest, dass ich in der Gegenströmung, über Grund bereitsauf der Stelle paddelte, trotz meines immer noch kräftigen Paddelschlags. Das Erreichen des Leuchtturms war auf diesem direkten Weg aussichtslos.
Ursache dafür war die Form der Halbinsel von Istrien, die sich auf ihrer Westseite auf einer Länge von rund 90 km ziemlich genau von Süd nach Nord erstreckt und der Südwind (Schirokko oder Jugo genannt) die Wassermassen an ihr entlang nach Norden trieb, die sich dann wegen der Beugung in den Golf von Triest hinein auffächerten.
Jetzt musste ich schnell eine Strategie entwickeln, wie ich das Festland erreiche, ohne zu weit vom Leuchtturm abgetrieben zu werden.
Ich schaute mich um: Die kürzeste Möglichkeit war, in die Bucht zwischen Slowenien und Kroatien hineinzufahren, die zweite mit der Strömung weiter nach Osten abzufallen, um dann zu versuchen, in die windstille Bucht östlich von Piran in Slowenien zu gelangen. Die dritte, wegen der größeren zurückzulegenden Strecke, schlechteste Lösung, aber immer noch eine mögliche Option, wäre gewesen, Richtung Triest zu paddeln und dann zu probieren außerhalb der Gegenströmung in der Nähe von Koper das slowenische Festland zu erreichen.
Hier muss ich anmerken, dass ich die Auskundung von Alternativen des Ausweichens während der Planungsphase grundsätzlich bei jeder größeren Überfahrt einer Bucht oder zu einer Insel anstelle – nach dem Motto: Was wäre, wenn ... und was könnte man dagegen tun, wenn das „wenn“ eintritt?
Der Plan 1 scheiterte, weil die Strömung noch zu stark war, Plan 2 war aber bereits erfolgreich und ich erreichte Piran kurz nach Mittag. Ich bootete aus, um mir die Füße zu vertreten. Diese mussten sich erst wieder an den Kajak und die Steuerpedale gewöhnen, nach 4 Jahren Paddel-Abstinenz. Außerdem setzten langsam die ersten Erschöpfungserscheinungen ein, die auf das „Anpaddeln“ nach der langen Zeit zurückzuführen waren.
Die anschließende Weiterfahrt um Piran herum, und nach Kroatien hinüber war zwar wegen der Strömung und Müdigkeit beschwerlich aber ohne Gefahren. Bei der erst besten Gelegenheit beendete ich meinen ersten Reisetag, allerdings ohne mein gestecktes Ziel erreicht zu haben (Kartendistanz 21 km und rund 40 km tatsächlich gepaddelt, davon einige im „Stand“). Ich richtete mein Nachtlager her und genoss beim Regenerieren meiner Gliedmaßen und Muskeln noch den Blick hinüber nach Piran und zurück nach Grado, das in der Nachmittagssonne noch gut zu erkennen war.
Als Fazit dieses ersten Reisetags überlegte ich, was hätte mir zustoßen können,wenn ich nicht schon vorher die einzelnen Optionen des Ausweichensüberlegt hätte.
Ähnliches passierte mir bei der Überfahrt von der Insel Kefalonia zur Insel Zakynthos (Kartendistanz 16 km und rund 28 km tatsächlich gepaddelt) und bei der Querung des Golfes von Patras nach Mesologi (Kartendistanz 13 km und rund 23 km tatsächlich gepaddelt), allerdings in beiden Fällen mit einer bereits vorausgegangenen Paddelstrecke von über 30 km an diesen beiden Tagen. Beide Male hoffte ich, dass der Gegenwind Maistral aus Nordwest kommend, zu einem späteren Zeitpunkt einsetzen würde und ich die an diesem Tag eigentlich nicht geplante, zusätzliche Passage bereits abgehakt hätte, bevor er so richtig zu blasen beginnen würde. Erneut musste ich Umwege paddeln, die zwar keine Bedrohung hervorriefen, für mich persönlich aber sehr ärgerlich waren, wei lich ein wenig leichtsinnig gehandelt und mir dummerweise jeweils etwa 2 bis 3 Stunden zusätzliche Schufterei eingehandelt hatte: Das geht doch locker und der Wind wird schon nicht ... Aber er kam doch!
Mit diesem Bericht wollte ich aufzeigen, wie wichtig es ist, bereits in der Planungsphase alle erkennbaren Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, insbesondere die Alternativen zu erkunden, wenn man eine Überfahrt abbrechen muss. Gibt es Ausweichmöglichkeiten? Wenn nein, solle ich dann doch nicht lieber diese Überfahrt sein lassen?
Ich muss zugestehen, ich wollte heuer eigentlich noch mit dem Kajak vom Peloponnes über Kythira und Antikythira nach Kreta hinüberpaddeln. Aber auf Grund der oben geschilderten Vorkommnisse und mangels sicherer Alternativen bei dieser Solo-Querung verzichtete ich lieber, mir diesen (Alp-?)Traum zu erfüllen.