KT-06 - Ein- und Ausbooten an der Meeresküste


verfasst 2010 - geändert am 07.01.2011

 

In diesem Beitrag möchte ich vom Ein- und Ausbooten berichten und wie es erfahrene Seekajaker wie Herbert Rittlinger 1962 und Nigel Foster 2001 in ihren sehr lesenswerten Büchern beschreiben.


Die einfachste und bevorzugte Einboot-Methode und in umgekehrter Reihenfolge auch Ausboot-Methode, ist bei ruhiger See, mit nur leicht säuselndem Wind, an einem flachen Sand-, Kies- oder Steinstrand durchzuführen. Der moderne Paddler, wie ich aus der Holledau, belädt seinen HTPE-Kajak, schleift ihn über Sand, Kies oder Steine in das Wasser, steigt über den Kajak, setzt sich hinein, schließt die Spritzdecke und paddelt los. Bei einem Faltboot und GFK-Leichtgewicht muss der vorsichtige ,kajakschonende Kanute, erst sein gegen Bodenberührung empfindliches Gefährt leer oder je nach Kondition und Kraftreserve fast leer zum Wasser tragen und es dann dort vollpacken. Das restliche Prozedere ist identisch mit dem des „hagelbuchenen“ (bayr.: Adjektiv, steht für derb, ungestüm, naturnah, wettergegerbt, „mass“-geeicht und mit einigen Massen intus auch nonverbal durchsetzungsfähig, ein Mensch also aus dem ländlichen bayerischen Raum oder Hinterland, mit rohen nicht gerade sanft besaiteten Eigenschaften, charakterlich aber eine Seele von Mensch - hoffentlich!) Wasserschlägers mit seinem „PE“.

Ich zitiere jetzt Herbert Rittlinger aus seinem Buch: „Die neue Schule des Kanusports“ aus dem Jahre 1962, Brockhaus-Verlag Wiesbaden, das von mir schon ziemlich zu Grunde gelesen, aber dennoch wie meine Augapfel gehütet wird. Das Buch gibt es nur mehr antiquarisch.

Herbert Rittlinger:

Außerhalb der Brandungszone kann man selbst bei beträchtlichem Seegang unbesorgt die Spritzdecke öffnen, sich langlegen und die Zeitung lesen ... Die Wellen sind viel zu lang und hoch, als dass sie das kleine Boot nicht einfach mitnähmen.

Der Himmel bewahre dich nur vor der Seekrankheit. Neigt man hierzu, empfehle ich vorher ein solides, aber auch wieder nicht zu schweres Frühstück mit Tee anstatt Kaffee. Als absolut sicheres Gegenmittel empfiehlt ein alter Kapitän: sich in den Schatten eines grünen Eichbaums zu legen.

Gefahr ist dort, wo Land und Meer sich ineinander verzahnen. Da ist zuerst die Brandung. Eine Brandungswoge hat zwar nicht ganz die hart-reißende Gewalt einer gleichhohen Wildwasser-Widerwelle, ist aber mit Umsicht anzugehen und verbittert einem das Ein- und Aussteigen, wenn unversehens zehn oder zwanzig Liter Wasser ins Boot geschüttet werden ... An vielen Stränden allerdings kann man in aller Ruhe ins Boot steigen, die Spritzdecke schließen und gegen die drohenden, rollenden Brecher angehen. Heftigen Anprall muss man notfalls durch einen Rückwärtsschlag abschwächen, um dann in der nachfolgenden Atempause des Wassers weiter vorzustoßen -, bis man draußen ist. Man wird auch bald merken, dass die Brandungsroller in einem ganz bestimmten Rhythmus heranrauschen, wird das ausnutzen und die dicksten Brecher zuvermeiden trachten.

Das hat wie alles seine Grenze: Wenn bei auffrischendem Wind meterhohe Brecher an den Strand donnern, ist alle Fahrkunst umsonst.

Beim Landen in hoher Brandung besteht die Hauptgefahr darin, dass sich das Boot mit der Nase in den Sand bohrt, dadurch quergeschlagen und umgeworfen wird. Besser: gegen die Brecher haltend rückwärts landen, um in der „Atempause“ rasch auszusteigen und das Boot völlig auf den Strand zu ziehen.

Jede Brandungsküste hat in der Regel Stellen und Buchten, an denen die Brandung weniger heftig oder an denen überhaupt keine steht. Nur glatte, lange Küsten in Front zur vorherrschenden Windrichtung, wie zum Beispiel die Westküste von Sylt, bieten wenige Durchschlupfe. Die Westküste Sylts zu befahren, empfiehlt sich daher nur bei östlichen Winden oder ausgesprochen ruhiger See.

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Knapp 40 Jahre später beschreibt Nigel Foster im Jahre 2001 in der 2. Auflage seines Buchs „Seekajak“ aus dem Pollner-Verlag, das Starten und Anlanden aus seiner detaillierteren Sicht, das ich hier mit einem Buchauszug vorstellen möchte. Ob das zu empfehlende Buch (Daher auch die Beispiele, die ich als kostenlose Werbung für dieses Buch ansehe - der Verlag wird bei dieser positiven Rezension hoffentlich keine Einwände gegen das Urheberrecht vorbringen.) allerdings noch aufgelegt wird, war auf der Homepage des Pollner-Verlags nicht zu ermitteln, zumindest konnte ich es nicht entdecken. Ich habe mir erlaubt, einige Anmerkungen in eckige Klammern „[...]“ zu setzen.

Nigel Foster:

Oft ist das Starten und Anlanden vollkommen problemlos möglich, manchmal jedoch ist es der schwierigste und gefährlichste Teil einer Tour. Die Einbootstelle muss sorgfältig ausgewählt werden. Man versucht einen niedrigen Felsen zu finden, neben dem man das Kajak wassern kann und steigt ein, ohne die Füße nass zu machen. An flachen Stränden sind auch Robbenstarts (engl.: seal launch) in ruhiges Wasser möglich. Bei stürmischer See und steil abfallenden Stränden oder Felsen ist besondere Vorsicht geboten.

Starten durch die Brandung

In der Regel gibt es an allen Brandungsstränden ablandige Strömungen, die man oft erst bei genauerem Hinsehen entdeckt. Das Wellenmuster ist dort unterbrochen und eine Strömung zieht auf das offene Meer hinaus. Diese ablandigen Strömungen befinden sich normalerweise an den Rändern eines Strandes; sie können jedoch auch am Strand entlang in Abständen oder an Flussmündungen auftreten. Ablandige Strömungen bilden sich durch das Ablaufen des schäumenden Wassers der Brandung, das sich am Ufer aufgestaut hat. Der so entstehende Sog erreicht eine Geschwindigkeit von mehreren Knoten und erleichtert es dem Paddler durch die Brandung hindurch auf das offene Meer zu kommen.

Ein Robbenstart [siehe meine ironische Einführung oben] ist die einfachste Möglichkeit, sein Kajak flott zu machen, obwohl man manchmal Hilfe benötigt, um das Kajak gerade zu halten bis es vollständig im Wasser schwimmt. Man paddelt hinaus, wenn die Wellen niedriger werden und koordiniert den Paddelschlag so, dass das Blatt jedes Mal auf der Rückseite einer gebrochenen Welle eingesetzt wird und man sich durch die Wellen zieht. Man muss energisch paddeln, um nicht wieder an den Strand zurückgedrückt zu werden. Paddelt man durch steile Wellen schnell hindurch, wird das Kajak auf dem Wellenberg fast abheben, und dann tief ins Wellental fallen. Hier verliert man leicht die Balance, deshalb sollte bei der „Landung“ zur Stabilisierung eine flache Paddelstütze angesetzt werden. Hat man es geschafft, dann wartet man hinter der Brandungszone auf den Rest der Gruppe.

Unter Wellen hindurchrollen [Meine Referenz zum Eskimotieren an die Rollen-Enthusiasten unter uns.]

Bei großen, sich brechenden Brandungswellen ist es oft am einfachsten, sich ins Wasser kippen zu lassen bis die Welle am Rumpf vorbei ist und das Kajak dann wieder hochzudrehen. Dadurch entgeht man einer Rückwärtskerze oder verhindert, wieder ans Ufer zurückgeworfen zu werden.

Das Anlanden durch die Brandung

Das Anlanden in der Brandung kann für so manchen eine beunruhigende Aussicht darstellen. Die Auswahl des Strandes ist hierbei sehr wichtig, um den mächtigen „Dumpers“ auszuweichen [siehe Erklärung im nächsten Absatz]. Man wartet, bis die Wellen niedriger werden und paddelt schnell ans Ufer. Bei jeder Welle, die droht das Kajak mitzunehmen, paddelt man rückwärts. Auf diese Weise wird verhindert, seitwärts an den Strand getragen zu werden. Man hat dabei ausreichend Kontrolle über sein Kajak, um Kenterungen zu vermeiden und um es sich noch einmal anders überlegen zu können, sollte ein Anlanden doch zu gefährlich sein. Der Paddler sollte zum Anlanden eine Welle abwarten, die sich vor ihm bricht und auf ihrem Rücken an den Strand paddeln, schnell aussteigen und das Kajak aus der Gefahrenzone ziehen.

Dumper

Ein Dumper ist eine schwere schlagende oder brechende Brandungswelle, die sich auf einem steil abfallenden Strand bricht. Man sollte diesen Wellen unter allen Umständen aus dem Wege gehen. Ich habe gesehen, wie Seekajaks durch relativ kleine Dumper auseinandergebrochen wurden. Ihre explosive Kraft ist nicht zu unterschätzen.

Bleibt einem keine andere Wahl als anzulanden, sollte der beste Paddler als erster an Land gehen. Aus den Abschleppleinen der Gruppenmitglieder bastelt er ein Wurfseil. Anschließend paddelt die Gruppe auf den Rücken der Wellen an den Strand, während sie der erste Kajakfahrer vom Strand aus mit dem Wurfseil sichert.

Bei Kenterungen in einem Dumper versucht man so schnell wie möglich vom Kajak wegzukommen. Ein Seekajak, das in den Wellen herumgeschleudert wird, kann sehr großen Schaden anrichten.

Das Starten an einem steilen Strand

Bei ruhiger See setzt der Paddler das Kajak ins Wasser und steigt ein. Unter raueren Bedingungen ist jedoch ein Robbenstart vorzuziehen. Eine Paddelstütze wird angesetzt, sobald der Bug im Wasser schwimmt, das Heck aber noch am Strand aufliegt.

Auch beim Klippenstart [Ironie an - Übliche spektakuläre, photogene Einboot-Methode der Wildwasserfahrer, filmisch vergleichbar mit dem Halbkreis-Fußtritt in den Kung-Fu-Filmen oder dem im Schein einer Straßenlaterne aufblitzenden polierten Stahl eines Messers in einer der historischen Mord-Szenen: Man steigt auf einem Felsen in das Boot, schließt die Spritzdecke, macht sein Kreuzzeichen und stürzt sich vom Felsen aus weit hinab ins wild schäumende Wasser - Ironie aus - eigentlich nur bei PE-Booten und von Eskimotier-Spezialisten praktizierbar.] kann man leicht umkippen. Hat der Paddler vergessen, die Wassertiefe zu überprüfen, läuft er außerdem Gefahr, sich mit der Bootsspitze am Grund zu verkeilen! Man sucht einen Felsen ohne Seepockenbesatz und ohne scharfe Kanten, welche sonst tiefe Furchen in das Boot reißen können. Auch ein Felsen, der mit Seegras gut überwachsen ist, eignet sich. Als Alternative kann man zum Schutz des Rumpfes auch Treibholzstücke unterlegen.

Als letzter Ausweg ist es möglich, mit dem Kajak vom Strand wegzuschwimmen, und sich dann gegenseitig beim Einsteigen zu helfen. [Man ist im Vorteil, wenn man bei dieser Variante zuvor den Wiedereinstieg in den Kajak geübt hat - siehe dazu meine Beiträge zum Kentern und Eskimotieren. Nigel Foster sieht, wie ich, diese Methode als nun wirklich letzten Ausweg.]

Das Anlanden an steilen Felsen als Floß
 

Besonders bei Seegang ist es schwierig, an steilen Felsen ohne Hilfe anzulegen. Vorausgesetzt, die Felsen bieten gute Griffe für die Hände, sind steil und reichen weit genug ins Wasser, so dass sich die See nicht bricht, besteht die einfachste Möglichkeit darin, als Paket anzulanden. Zwei Kajaks bilden ein Floß. Der Paddler, der dem Felsen am nächsten ist, stabilisiert das Floß und hält sich so fest, dass sein Kajak diesen nicht berührt. Der äußere Paddler steigt über das andere Boot auf die Felsen. Weitere Kajakfahrer können auf diese Weise anlanden, bevor die restlichen Mitglieder der Gruppe an einer günstigeren Stelle an Land manövriert werden. Bei schwierigen Bedingungen muss der letzte Paddler manchmal noch im Wasser aus seinem Boot aussteigen, bevor man ihm an Land helfen kann.

Starten und Anlanden mit Zweierkajaks

Das Starten und Anlanden mit Zweierkajaks ist beschwerlicher als mit Einerkajaks. Beim Einbooten an einem Strand wird der Bug ins Wasser geschoben, und eine Person hält das Boot fest, während der vordere Paddler einsteigt. Der hintere Paddler schiebt das Kajak dann ins Wasser und steigt ein, während der vordere Paddler das Kajak auf Kurs senkrecht zu den Wellen hält. Das Anlanden erfolgt in umgekehrter Reihenfolge.

Es lohnt sich, die See- oder Landkarte sorgfältig zu studieren, weil man dabei oft besser zugängliche Landeplätze findet, die einem normalerweise nicht ins Auge fallen würden. [Heute benutzt ein Küsten-paddler bei seiner Planung auch „Google-earth“, um die geeigneten Anlandestellen ausfindig zu machen. Ob es allerdings dann dort noch genau so aussieht, wie auf „Google-earth“ und den von Usern eingestellten Fotos, muss kritisch und allemal mit Vorsicht betrachtet werden. Ich habe heuer so manche herbe Enttäuschung und böse Überraschung erlebt!] Man sollte die windgeschützte Seite einer Landspitze auswählen, den Teil einer Küste, der von einer Insel abgeschirmt wird oder den Strand, dem eine Sandbank vorgelagert ist, An zerklüfteten Küsten gibt es oft kleine Buchten, in denen die Wellen sanft ans Ufer rollen, während in nächster Entfernung die Brandung schwer gegen den Strand schlägt.

 

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Weil ich mich mit dem Mittelmeer beschäftige, habe ich die Tiden ausgelassen, die vom Süden des Mittelmeeres zum Norden hin zwar zunehmen (z.B.: in Dubrovnik bis zu 35 cm und in Koper, Slownien bis zu einem Meter) aber nicht die gravierenden Auswirkungen wie an der Atlantikküste oder Nordsee aufweisen.


Hoffentlich können die weniger routinierten Küstenwanderer mit meinen Angaben etwas anfangen. Ich persönlich habe aus diesen beiden Büchern am Anfang meiner Seekajak-Reisen eine Menge Theorie gelernt, die ich dann in die Praxis umgesetzt und an meinen Fahrstil, mein Können und Outdoor-Leben angepasst habe.

Zu meiner Anfängerzeit hatte es noch keine Seekajakschulen im heutigen Sinn gegeben, so dass ich mir alles autodidaktisch aneignen musste. Aber gerade das hat Spaß gemacht!