KP-11 - Kajaktransport mit dem Auto

 

verfasst 2011 - geändert am 27.05.2013

 

Immer wieder tauchen in den einzelnen Foren Beiträge auf, die sich mit dem Transport eines Kanus auf dem Autodach befassen. Da werden Bootsträger kontrovers diskutiert, das Für und Wider der einzelnen Modelle eingehend besprochen, ja schon fast zerredet.

 

Wenn ich meinen Kajak von München nach Grado oder Venedig transportieren will, verwende ich überhaupt keinen Gepäckträger, sondern lege den Kajak direkt auf das Dach. „Der ist verrückt!“, wird da jeder Leser jetzt aufschreien. Aber bevor man sofort angewidert weiterklickt, sollte man einmal meinen Bericht zu Ende lesen und sich anschließend darüber Gedanken machen!

 

 

Bild 1: Warten auf die Fähre in Igoumenitsa

 

Meine Familie besitzt als fahrbaren Untersatz einen der gängigen Kombis der unteren Mittelklasse mit Dachreling. Meine Vorbereitungen für den im wörtlichen Sinne echten „Dachtransport“ sind folgende: Das Dach wird gesäubert. Weil ich zu bequem, vulgo zu faul bin, des Deutschen liebstes Spielzeug selbst zu reinigen, fahre ich es einfach durch die Waschstraße.

 

Auf das Dach lege ich als Schutz gegen das Verkratzen (deshalb auch die Dachreinigung) eine sorgfältig in Längsrichtung zusammengelegte alte Umzugsdecke, die ich noch vom letzten Wohnungswechsel übrig habe. Darauf kommt vorne und hinten eine Hartschaumplatte mit 77 cm Länge, 25 cm Breite und 5 cm Höhe aus dem Baumarkt (Standardplatte) quer über das Auto, so dass zwei Auflagen als Druckverteilung entstehen. Über die Platten schlage ich hinten und vorne die überstehenden Enden der Decke zur Mitte.

 

Mit einem Helfer hieve ich nun den Kajak auf die in Decken eingehüllten Platten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften (vorne kein Überstand). Wenn der Kajak einen V-Spant aufweist, muss man allerdings eine dem Spant angepasste Form aus Hartschaum auf die Platten aufkleben, damit der Kajak in gerader Lage gehalten wird und sich der Druck gleichmäßiger auf die gesamte Dachbreite verteilt. Eventuell wäre eine Konstruktion aus Holz denkbar, die man zur Druckverteilung einfach auf die Hartschaum-Platten auflegt. Zum Glück hat diesen zusätzlichen Aufwand mein von vielen Seekajak-Freaks so geschmähter „Kodiak“ von Prijon (... das ist doch gar kein echter Seekajak ...) nicht nötig.

 

Nun folgt das Festzurren des Kajaks auf dem Dach.

 

Ich verwende geflochtene (nicht gedrehte) Naturfaser-Seile (Sisal) mit einem Durchmesser von 10 und 12 Millimetern. Der absolute Vorteil von Naturfaser gegenüber Kunstfaser ist: Sie reckt nicht bei Nässe, sondern im Gegenteil, sie zieht sich zusammen und erhöht dadurch die Wirkung, sie ist uvbeständig und der Knoten slippt nicht so leicht durch. Bei trockener, sauberer Lagerung überdauert sie sogar die Haltbarkeit von Kunststoffseilen.

 

Bei vier Naturfaserseilen (10 mm) habe ich an einem Ende ein etwa handtellergroßes Auge („Schlaufe“ für die Binnenländer) geknotet. Bei zwei  Seilen (12 mm) knote ich an allen Enden eine Schlaufe. Naturfaserseile verwende ich, nicht nur aus den oben angegebenen Gründen, sondern auch ganz lapidar, weil diese Seile bereits zu Hause herumlagen und sehnsüchtig auf eine Verwendung warteten.

 

Für die Sicherheit des Kajaktransportes ist grundsätzlich der Fahrzeugführer verantwortlich (§ 23 StVO). Er wählt die Befestigungsmethode und die -materialien aus: Das können bei meiner Methode sein: gedrehte, geflochtene Seile aus Natur- oder Kunstfasern, Kernmantelseile, Gurte usw. die die vom Fahrzeugführer geforderten Eigenschaften bei Art, Haltbarkeit, Qualität, Reißfestigkeit usw. aufweisen. Der eine bevorzugt Gurte mit Spannverschlüssen, der andere Seile mit den entsprechenden Knoten, wenn er sich mit Knoten auskennt und über ihre Haltbarkeit und Festigkeit Bescheid weiß. Wichtig dabei ist, dass die Bruchlast des zu verwendenden Seils/Gurts die auftretenden Kräfte bei einer Vollbremsung übersteigt. Weil der Kajak am Bug, Heck und über dem Rumpf jeweils mit zwei Seilen/Gurten abgespannt ist, hat man beim Befestigen des Bootes bereits die doppelte Sicherheit erreicht.

 

Ich würde trotzdem Seile/Gurte mit mindestens drei- bis vierfacher Sicherheit auswählen und einsetzen.

 

Die beiden Seile mit zwei Augen (12 mm, wegen der großen Belastung bei Vollbremsungen und hoffentlich nie eintretenden Auffahrunfällen) befestige ich nun vorne an der Dachreling. Hierzu fädele ich ein Ende mit Auge unter der Dachreling hindurch und durch das Auge des anderen Endes und zieht es an der Dachreling fest. Dabei beachte ich, dass der Schlingenknoten mit durch das eigene Auge gezogen wird und die beiden Seile um die Reling nicht verdreht sind. Jetzt ist ein Seil fest mit der Dachreling verbunden. Das selbe wiederhole ich auf der anderen Seite. Die zwei anderen Schlaufenenden lege ich nun um die Spitze des Kajaks und drücke von hinten den Kajak nach vorne in die Schlaufen, bis die Seile straff gespannt sind. Ich habe die Längen dieser beiden Seile mit den Doppelaugen so gewählt, dass nun der Kajak vorne nicht über das Auto hinausragt (§ 22 StVO). Hinten lege ich die beiden Augen über das Heck des Kajaks. Dann schlinge ich das lose Ende hinten um die Dachreling, spanne das Seil und verknote es sicher. Auf der anderen Seite verfahre ich ebenso. Ich achte darauf, dass der Kajak gerade ausgerichtet und richtig fest mit den Seilen verzurrt ist, so dass er sich nicht mehr bewegen kann. Eventuell muss ich die Spannung korrigieren.

 

Damit der Kajak auch fest am Dach aufliegt und die Reibungskräfte erhöht werden, lege ich nochmals zwei Schnüre, auf der Fahrerseite in gewohnter Weise an der Dachreling durchgezogen und befestigt, vor und hinter der Sitzluke quer über das Boot und verknote sie an der Dachreling auf der Beifahrerseite (Arbeiten auf der Beifahrerseite wegen der eigenen Sicherheit im Straßenverkehr). Dabei ist zu gewährleisten, dass auf das Dach kein zu hoher Druck ausgeübt wird. Einmal musste ich die Schnüre unterwegs lockern, weil sie sich im Regen zusammenzogen hatten und die Belastung auf das Blech zu groß geworden war.

 

Dass die Knoten an der Dachreling sicher halten müssen, brauche ich wohl einem Paddler und Outdoor- Freak nicht näher erklären. Ungeübte sollten sich mit den einzelnen sicheren Befestigungsknoten unbe- dingt vertraut machen. Nachdem ich noch das Paddel, am besten wieder an der Beifahrerseite befestigt habe (Ich verwende dabei meist die Enden der beiden Spannseile über dem Boot.), wartet das Auto nun darauf, endlich bewegt zu werden und nach Grado aufbrechen zu dürfen.

 

Dabei demonstriert unser motorisiertes Muli, dass es mit seinen 100 Pferdestärken auf der Autobahn bestimmt kein Verkehrshindernis abgibt. Aber es hält sich strikt an die Obergrenzen der erlaubten oder empfohlenen Geschwindigkeit. In Österreich schon deshalb, weil dort ein Überschreiten der Höchstge- schwindigkeit ein entsprechendes Loch in den Geldbeutel frisst. Nach dem Abladen des Kajaks am Bestimmungsort werden Platten, Decke und Seile einfach im Kofferraum verstaut und man muss nicht mit dem leeren Dachgepäckträger zurückfahren. Dies ist ein weiter Vorteil dieser Methode.

 

 

Bild 2: Kajaktransport einmal anders: direkt auf dem Dach

 

Auf diese Weise wurde mein Kajak bereits knappe 6.000 km transportiert, ohne dass es irgend ein Problem gegeben hatte. Gefahren sind wir bei jedem Wind und Wetter, bei Sturm und Gewitterschauer, meist auf der Autobahn (München - Grado oder Venedig), einmal von Volos in Griechenland über den Katara-Pass nach Igoumenitsa. In dieser Zeit sind am Dach keinerlei Schäden entstanden und der Lack glänzt genauso wie an den anderen Stellen auch, vorausgesetzt, das Auto ist gewaschen worden. Aber dafür sind meine Frau und mein Sohn zuständig, die unsere Familienkutsche nahezu ausschließlich benutzen. Ich hatte bei ihr sehr selten die Zügel in die Hand bekommen und unser Sohn setzte früher in seinen „wilden Jahren“ beim Kajaktransport schon mal die Peitsche ein.

 

Den Befürwortern von Dachträgern möchte ich mit diesem Beitrag in keinster Weise widersprechen! Ein Dachträger stellt für Laien auf alle Fälle die bessere Wahl dar. („für Laien“ ist von mir nachträglich eingefügt worden, weil mir in der nachfolgenden Diskussion vorgehalten worden ist, warum ich dann keinen Dachständer verwende!) Da wir Outdoor-Freaks aber überaus pragmatische Leute sind, zumindest die meisten von uns, möchte ich praktikable, einfache, leichte, billige und schnell zu realisierende Alternativen aufzeigen, um Anregungen zu geben, sich über die verschiedensten Lösungen Gedanken zu machen. Das fördert Wissen, Kreativität, logisches Denken und insbesondere die Phantasie und wirkt der allgemeinen Volksverdummung durch Privat-TV (Jedes freie Volk hat das Fernsehen, das es selber will!) und der permanenten Konsumenten-Manipulation (Was gibt’s Neues auf dem Ausrüstungsmarkt?) wohltuend entgegen.

 

Früher hatte ich mich auch nach den neusten Ausrüstungskatalogen orientiert. Heute beobachte ich diese Neuerungen aus einer kritischen Distanz, nach dem Motto: „Man muss nicht jedem Modetrend folgen!“

Absichern der Ladung auf dem Autodach aus der Sicht von Juristen

 

Scheinbar ist das Thema „Dachtransport“ bei vielen Autofahrern äußerst beliebt, wenn man die Zahl der eingestellten Beiträge in den einzelnen Foren betrachtet. Allerdings kristallisiert sich dabei heraus, dass viele der Autoren wenig Ahnung von den physikalischen Vorgängen bei einem Autodachtransport haben, nur ihr Halb- und Nichtwissen kundtun und vieles einfach ungeprüft nachplappern. Dasselbe scheint auch für die rechtlichen Bestimmungen zu gelten. Aus meiner Sicht ist es deshalb zwingend erforderlich, die Wissenslücken der meisten Kritiker zu schließen. Ich habe versucht, die Physik in den nachfolgenden Beiträgen zu erklären, konnte aber selbst bei manchen der selbst ernannten Transportfachleuten mangels ihres beschränkten physikalischen Grundwissens keinen Erfolg verbuchen.

 

Aus rechtlichem Dafürhalten, hier muss ich mich auf die in den Foren schreibenden Juristen verlassen können, und aus reinen praktischen Erwägungen habe ich allerdings einsehen müssen, dass man scheinbar ohne zertifizierte Zurrmittel in Deutschland kaum mehr einen Kajak auf dem Autodach transportieren kann, ohne mit den Gesetzeshütern in Konflikt zu geraten oder man bei gerichtlichen Auseinandersetzungen mit kostenintensiven Gutachtern konfrontiert wird - selbst wenn die verwendeten Seile wie in meinem Fall eine höhere Bruchlast aufweisen, als die mickrigen Spanngurte mit den Zertifizierungsfahnen.

 

Warum soll ich aber eine seit 40 Jahren bewährte, den gesetzlichen Vorgaben weit überdimensionierte Transportbefestigung für meinen Kajak aufgeben und durch eine wesentlich unzuverlässigere Methode ersetzen? Nur weil  zu einem viel späteren Zeitpunkt vereinbarte VDI-Richtlinien für den gewerblichen Güterverkehr Mindestanforderungen für die Ladesicherung vorschreiben, bin ich doch nicht gezwungen, meine private Dachtransportsicherung diesen Minimalbedingungen zu unterwerfen, anzugleichen, meine selbst gewählten Sicherheitsstandards zu verringern und dadurch wesentlich zu verschlechtern, wenn ich grundsätzlich bessere, zuverlässigere und insbesondere materialschonendere Transportsysteme verwenden kann! Genau hier unterscheiden sich die einzelnen Vorstellungen der für den Transport verantwortlichen Fahrzeugführer bei der Nutzung der verschiedenen Ladesicherungen. Während der Großteil der Autofahrer nur die billigen Minimalforderungen einhalten will, überschreite ich bei meiner Befestigungsart diese Forderungen um ein Vielfaches! Damit eine Überprüfung einfacher wird, soll ich zertifizierte Zurrmittel und Verfahren anwenden, die nur einen Bruchteil von dem aushalten, was meine Variante gewährleistet? Im Paragraphen 22 der StVO, Absatz 1 heißt es unter anderem: ... Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Es steht aber nirgendwo, dass man diese Regeln der Technik, die nur die Mindestanforderungen beschreiben, nicht überschreiten, keine besseren Ladesicherungsmethoden einsetzen oder nicht stabilere Befestigungsmittel verwenden darf. Wo ist da eigentlich der vernünftige Menschenverstand bei meinen Kritikern geblieben?

 

Meine Einsicht über die zukünftige Verwendung von zertifizierten Zurrgurten 

 

In Zukunft werde ich deshalb bei meiner bewährten Befestigungsmethode, zumindest pro forma, zwei dieser angeblich vorgeschriebenen Gurte verwenden, aber meine zuverlässigen Schnüre gegen diese Zertifikatsgurte mit der sichtbaren Zulassungsfahne nur in Bereichen auswechseln, die einer geringen Belastung ausgesetzt sind und bei denen auch eine ordinäre Wäscheleine vollkommen genügen würde (Abspannungen zur Vermeidung von Wippbewegungen bei Straßenunebenheiten). So kann ich wenigstens bei einer Kontrolle auf die Verwendung dieser für den gewerblichen Güterverkehr zugelassenen und nur dort verbindlich vorgeschriebenen Gurte verweisen und brauche mich vor Ort nicht auf eventuelle langwierige, unter Umständen erfolglose Diskussionen einlassen, die manchmal sogar mit einem kostenintensiven, aber aus meiner Sicht völlig sinnlosen Gutachten enden. Entgegen der landläufig äußerst schlechten Meinung vieler Verkehrsteilnehmer über unsere Ordnungshüter, glaube ich jedoch persönlich, dass es sich bei den Beamten der Ladungssicherungskontrolle um wahre Experten und Profis handelt, die bereits auf den ersten Blick erkennen, ob ein Kajak auf dem Autodach vorschriftsmäßig gesichert ist und die gesetzlichen Vorgaben eingehalten worden sind, auch wenn keine zertifizierten Zurrmittel verwendet werden.

 

Für diejenigen, die sich dennoch berufen fühlen, ihren Wissenshorizont zu erweitern, stelle ich die weiterführenden Links nachfolgend zur Verfügung:


KP-12 - Kräfteverteilung beim Kajak-Transport auf dem Autodach

KP-13 - Berechnung der Bruchfestigkeit von Seilen nach StVO

KP-14 - Verwendung zertifizierter Zurrmittel aus rechtlicher Sicht 

KP-15 - Abspannen: Kanadier auf dem Autodach - eingespleißte Traggriffe

KP-16 - Bilder: mein spezieller Kajaktransport auf dem Autodach

Anhang:

 

Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

I. Allgemeine Verkehrsregeln

Auszüge:

§ 22 Ladung

(1) Die Ladung einschließlich Geräte zur Ladungssicherung sowie Ladeeinrichtungen sind so zu verstauen und zu sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen, herabfallen oder vermeidbaren Lärm erzeugen können. Dabei sind die anerkannten Regeln der Technik zu beachten.

(3) Die Ladung darf bis zu einer Höhe von 2,5 m nicht nach vorn über das Fahrzeug, bei Zügen über das ziehende Fahrzeug hinausragen ...

(4) Nach hinten darf die Ladung bis zu 1,5 m hinausragen, jedoch ... Ragt das äußerste Ende der Ladung mehr als 1 m über die Rückstrahler des Fahrzeugs nach hinten hinaus, so ist es kenntlich zu machen durch mindestens ...

§ 23 Sonstige Pflichten des Fahrzeugführers

(1) Der Fahrzeugführer ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch die Besetzung, Tiere, die Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden. Er muss dafür sorgen, dass das Fahrzeug, der Zug, das Gespann sowie die Ladung und Besetzung vorschriftsmäßig sind und dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung nicht leidet ...

Artikel erstellt am 12.01.2011

1. Überarbeitung am 15.01.2011 

2. Überarbeitung am 12.07.2012

3. Überarbeitung am 27.05.2013