KP-01 - Meine Erfahrungen beim Erlernen des Paddelns

  

verfasst 2011 - geändert am 07.01.2011

Wie hatte ich damals Mitte der 60er Jahre das Paddeln erlernt? Zur der Zeit waren die „Kajakschulen“ noch sehr rar. Genauer gesagt, es gab überhaupt keine. Zumindest nicht in der Region, in der ich das Paddeln lernen wollte, am Tegernsee.

Literatur war auch Mangelware. Das einzige Buch, das ich zu lesen bekam, war Herbert Rittlingers „Die neue Schule des Kanusports“. Das fraß ich allerdings regelrecht in mich hinein und lernte es fast auswendig, im Gegensatz zu den „Schillerschen Gedichten“: „Die Glocke“, „Der Ring des Polykrates“ und „Die Bürgschaft“. Mit dieser angelesenen Erfahrung begab ich mich dann auf das Wasser.

Gleich zu Beginn lernte ich das teilbare Paddel mit den Rasten für die Blattdrehungen korrekt zu benützen, es als Linkshänder, auch auf „linksgedreht“ einzustellen. Ich hatte sehr schnell den Bogen raus, wie man vorwärts kommt, eine Kurve fährt und rückwärts paddelt. Die weiterführenden Techniken folgten: Konterschlag, Paddelstütze, Seilfähre, Duffek-Schlag, der auch als Löffel-Rührer bekannt geworden ist. Weil die damaligen Wanderboote ein sehr flaches Unterschiff aufwiesen, war das heute allgemein übliche Ankanten, um leichter einen Bogen fahren zu können, überhaupt nicht möglich, ja kontraproduktiv. Beim seitlichen Versetzten musste ich mein Boot relativ gerade halten, damit das Wasserrühren aber auch das Drehen auf der Stelle überhaupt möglich war und etwas bewirkte.

Mit dem Kentern war das auch so eine Sache. Mein erster Kajak-Versuch am Tegernsee begann bereits nach ein paar Sekunden mit einem „Reinfall“, weil ich mit dem Paddel unterschnitten hatte und dadurch mit einer Paddelstütze wortwörtlich ins Wasser fiel. Auf Zahmwasser waren dann alle weiteren Kenterungen gewollt und dienten nur als Übung zum Wiedereinsteigen. Da es damals noch keine Paddelfloats gab, blieb mir praktisch nur der direkte Wiedereinstieg übrig. Denn benutze ich noch heute! Nach 45 Jahren komme ich noch ohne jegliche Hilfsmittel in kürzester Zeit in meinen Kajak und das auch bei Wellengang im Meer.

Ich habe das Paddeln gelernt, so wie ich Radfahren und Schwimmen gelernt habe, einfach von selbst. Heute würde ich vielleicht einen Anfängerkurs in einem Kajak-Vereine belegen, aber nur, weil diese Angebote vorhanden sind. Ob man dort allerdings recht viel mehr lernt, als man als interessierter Laie sowieso schon weiß, ist fraglich. Das habe ich zum Beispiel bei einigen in Hochglanzbroschüren angebotenen Computerkursen erfahren, die eigentlich nichts Neues mehr brachten und von mir als vergeudete Zeitund hinausgeworfenes Geld abgehakt worden sind.

Zur Verdeutlichung ein paar ketzerische Anmerkungen: Braucht ein Normal-Radfahrer einen speziellen Kurs für Kunstradfahren oder Mountainbiking? Wann kommt er in die Verlegenheit, einmal mit seinem Rad eine Pirouette drehen zu müssen? Für einen Feldweg benötige ich keine Mountainbiking-Kurs und das Gelände-Radeln außerhalb eines abgesteckten Terrains sollte für einen umwelt- und naturbewussten Biker sowieso tabu sein. Oder die Schleuderkurse der Automobilklubs: Bis man einmal in eine gefährliche Situation kommt, damit man das Erlernte auch wirklich anwenden kann, hat man es in der Regel bereits wieder vergessen (siehe Erste-Hilfe-Kurs!). Es sei denn, man provoziert regelmäßig solche Situationen. Aber wer ist schon so unvernünftig und riskiert damit sein teures Gefährt und seine Gesundheit? Das selbe sehe ich auch beim Seekajaking.

Alles Andere, was ich zum Paddeln an Techniken benötigte, brachte ich mir selber bei. Ich bin in vielen Dingen Autodidakt, schaue eine Menge von den Fachleuten ab, lese viel in Fachbüchern und Ratgebern, mache mir über das Gelesene meine eigenen Gedanken und verwerfe jene, die mir nicht zusagen.

Gut, am Anfang war das Paddeln schon ein bisschen wackelig. Aber das legte sich sehr schnell und die Geschicklichkeit stieg mit jedem Paddelschlag, nach dem alten Motto: Routine macht den Meister und nicht das reine Schulwissen.

Wenn der Anfänger sich eine kleine Kajak-Schule in Buchform zulegt, diese gibt es heute zu Dutzenden und relativ billig auf dem Buchmarkt, kann er die Grundkenntnisse und -techniken des Kajakfahrens nachlesen und anschließend in der Praxis selber erlernen. Der Rest ist reinen Übung und ausdauerndes Training, so wie bei allen anderen Sportarten auch - Extremsportarten allerdings ausgenommen.

Probleme beim Seekajaking werden mehr die äußeren Umstände bereiten, wie Navigation, wo ist die beste Aus- und Einbootstelle, wie kommen ich mit dem Wetter, Wind ,Wellen und Strömungen klar. Da steigen selbst renommierte Kajakschulen aus, wenn man etwas Genaueres über terrestrische Navigation oder die Bestimmung der Strömungsgeschwindigkeit und der -richtung bei einer Überfahrt zu einer Insel nachfragt.

Das muss man sich alles selbst erarbeiten.

Zum Schluss eine kleine Geschichte.

In den Ferien waren meine Eltern und ich immer in der Sommerfrische am Faaker See in Kärnten. Gleich beim ersten Mal mit dem Paddelboot, lernte ich einen gleichaltrigen Jungen aus dem Kleinen Walsertal kennen und wir fuhren zusammen auf dem See herum. Mein neuer Freund besaß einen „Lieser-Mig“ von Klepper, damals das Wildwasser-Abfahrtsboot schlechthin: schmal, extremes V-Unterschiff. Mit diesem Freund lernte ich ungemein schnell das Paddeln und das Wiedereinsteigen auf dem Wasser. Wir maßen uns in der Schnelligkeit, bei der ich natürlich das Nachsehen hatte. Dafür kam ich immer wieder schneller in mein Schiff, wenn wir zum Schwimmen mitten auf dem See vom Boot aus ins Wasser hüpften. Da hatte mein Freund mit seinem kippeligen Kajak die größeren Schwierigkeiten und ich musste ihm mit dem Paddel immer ein Brücke zwischen den Booten bauen.

Bereits in der zweiten Woche unternahmen wir beide Jungs und der Vater meines Freundes eine leichte Wildwassertour von rund 30 km Länge auf der Gail von Hermagor bis auf die Höhe von Arnoldstein und das mit meiner eigentlich noch recht geringen Paddelpraxis.

Im Oberteil des Flusses rumpelte es schon gewaltig, als ich in den verblockten Schwällen mit meinem Wanderboot mangels ausgefeilter Wildwassertechnik gegen die Felsen krachte. Einige dieser Narben sind heute noch an Bug und Heck zu erkennen. Aber ich kam durch und ich war stolz, meine erste Wildwassertour, ohne zu kentern, gemeistert zu haben. Vielleicht war es aber auch nur Anfängerglück!