| BG-02 - Fitness - geistig und körperlich
verfasst 2011 - geändert am 30.11.2011
Es geht bei den Fitness-Vorbereitungen für eine längere Outdoor-Reise, bei mir speziell für eine Paddeltour, nicht alleine um den Kraftaufbau der Arme und Beine, sondern um das ganzheitliche Zusammenspiel der gesamten Muskulatur, das an dem Bewegungsablauf beim Paddeln beteiligt ist. Obwohl man es kaum glauben wird, sind beim Paddeln nahezu alle Muskelpartien im Einsatz, ähnlich wie beim Rudern. Aber nicht nur das. Genauso muss sich ein Paddler mental vorbereiten, um Ausdauer zu trainieren. Man kann dies sehr gut als „mentales Durchhaltevermögen“ bezeichnen.
Ein reiner Bodybuilder mit Waschbrett-Bauch und anabolika-aufgeschwemmter „King-Kong-Oberweite“ wird nie zu einem Long-Distance-Trip in einem Seekajak taugen. Abgesehen davon würde sich ja der Schwerpunkt weit nach oben verlagern und er somit ein zusätzliches Gleichgewichtsproblem bei einem Seekajak heraufbeschwören. Ich meine dabei nicht die wahren Kraftsportler, sondern die neumodischen „Mechanik-Athleten“, die blind diesem Bodystyling-Trend folgen und ihre Leistung nur sinnlos und ungenutzt in Wärme umsetzen. Nur soviel zu meiner Einstellung über die wie Pilze aus dem Boden schießenden Fitness-Studios mit ihrem Maschinenpark und ihrer aggressiven Marketingstrategie. Aber Spaß beiseite, wichtig ist die Ausgewogenheit des Trainings und die Abstimmung auf den auszuübenden Sport gerade über den Winter.
Wenn ich nicht auf Reisen bin, trainiere ich Judo und Bado (das ist der „Bajuwarische Weg“). Meine persönliche Einstellung zu jeder Tätigkeit ist eine rein pragmatische. Wenn ich etwas trainiere oder erlerne, soll es nicht nur seine eigentliche Aufgabe erfüllen, sondern auch einem zweiten oder gar dritten Zweck dienen. So halte ich mich mit Kampfsport nicht nur über den Winter fit, sondern erlerne zugleich Selbstverteidigungstechniken, die meine Selbstsicherheit steigert, wenn ich unterwegs bin. Weil man bei uns im Bado auch präventive Maßnahmen schult, habe ich noch nie in meinem Leben bei Auseinandersetzungen „harte Techniken“ anwenden müssen. Weitere Beispiele meines Fitness-Trainings mit einem zusätzlichen Nutzen sind das Holzhacken oder Holzspalten (Abfallprodukt: Klein- und Brennholz), nicht mit einem hydraulischen Spalter, sondern mit der Axt, mit Keilen und dem Vorschlaghammer oder das Bierausfahren mit meinem Schwager, einmal in der Woche. Da habe ich mir genau die Kunden ausgesucht, bei denen ich die Träger bis in die oberen Stockwerke tragen muss, um den Trainingseffekt zu erhöhen und verdiene mir nebenbei den Haustrunk.
Was meine körperliche Fitness anbelangt, da habe ich selbst keine Bedenken. Im Judo/Bado-Training werden jeweils in 5 Gruppen à 20 Einheiten (das sind jeweils 100 mal) über eine Trainingseinheit verteilt, Liegestützen, Sit-ups, Käfer (Ich kenne nicht die offizielle Bezeichnung.) und Ruderbewegungen absolviert. Dazu kommen die Fallübungen und ich schaffe immer noch die freie Rolle auf der Standard-Matte (Eine weiche Soft-Matte ist bei mir noch nicht erforderlich.) und das mit meinen gefühlten 49 Jahren (naja, effektiv „49+“ = +14 - Stand 2011), wenn auch manchmal dabei der Schädel ein wenig brummt.
In meiner Ausbildung Mitte der 1960er Jahre zum Fernmeldemonteur habe ich über verschiedene Bearbeitungstechniken (Holz, Stein, Metall, Kunststoff usw.) sehr viel erfahren, so dass ich auf das Gelernte heute zurückgreifen und darauf aufbauen kann.
Weil ich Schmieden lernen musste, besser durfte, kenne ich mich in den Grundtechniken der Messerherstellung aus und kann die einzelnen Stähle einschätzen. So nehme ich grundsätzlich kein Hightech-Messer auf meine Reisen mit, sondern ein auch mit einfachen Werkzeugen (z.B.: Schleif- und Polierleinen, wegen des Gewichts und Volumens) schärfbares Messer aus Karbonstahl (bayerische Nicker) und beim Seekajaking einen Puuko aus rostfreiem Stahl, den ich auf jedem Kiesel abziehen kann. Die Messer-Fraktion mag mir verzeihen, aber ein Messer mit einem hochwertigen Messerstahl ist etwas für zu Hause oder für einen Kurztrip, aber nichts für eine mehrmonatige Reise, wenn ich ein zusätzliches Equipment zum Schärfen mitnehmen muss. Rasiermesser-Qualität ist etwas sehr schönes und man kann ruhig Wettbewerbe veranstalten, wer das schärfste Messer besitzt, ist aber kaum outdoor-geeignet, wenn man mit dem einzigen Messer, das man mitführt, auch Holz, Seile, Kunststoff, auch mal Dosenblech (Hobo-Ofen) und kaltgeräuchertes, luftgetrocknetes „Geselchtes“ (Schwarzgeräuchertes) schneiden will.
Unter Outdoor, dem Leben draußen, verstehen ich mit den einfachsten Mitteln in der Natur zu bestehen, nicht mit großem technischen Aufwand gegen die Natur zu kämpfen, sondern die Natur mit einzubeziehen und sie für sich auszunützen, aber nur soweit, wie sie es verträgt und sich selbst wieder regenerieren kann. Bei dem jetzigen Freizeitboom mit immer mehr Pseudo-Outdoorlern ist es kein Wunder, dass in Skandinavien das Jedermannsrecht immer mehr eingeschränkt wird.
Will man wirklich Outdoor betreiben, ist zuerst Wissen und der vernünftige Menschenverstand eine Grundvoraussetzung, die Ausrüstung rangiert erst an zweiter Stelle. Die Gefahr besteht allerdings, das Equipment überzubewerten. Nichts gegen einen optimierten Schlafsack, einen durchdachten Rucksack, ein auf die einzelne Person abgestimmtes Zelt, Tarp, angepasster Biwaksack, eine sichere Kochausrüstung (Dazu einen Dank an die Kocher-Experten der Outdoorseiten für die vielen Informationen und Anregungen.) oder dem besten Fortbewegungsmittel, je nach Einsatz und Verwendungszweck. Aber daneben sollte man auch über das nötige Know-how verfügen, das Equipment richtig einzusetzen, seine Grenzen zu kennen und es auch reparieren zu können. Dadurch lassen sich Reiseabbrüche und schwere Unfälle vermeiden, die darauf zurückzuführen sind, weil man sich zu sehr auf seine Ausrüstung verlassen hat. Gerade in der letzten Zeit haben wir ja sehr ausführlich darüber lesen und diskutieren können.
Um den Kreis vom körperlichen über das mentale bis hin zum geistigen (Speziell über das Wissen und die Kenntnisse schweife ich sehr gerne ab, weil ich es für immens wichtig ansehe.) Training zu schließen, möchte ich aus meiner Erfahrung sagen, dass ich immer noch im permanenten Lern- und Trainingsprozess stehe und so ganz nebenbei: Es macht Spaß, immer etwas Neuen zu entdecken und zu lernen und es dann in der Werkstatt zu verwirklichen (zur Zeit: Dosenkocher, Hobo-Ofen, Woodgas-Stove, Tarp, Zeltgestänge, Möbelbau für meinen Sohn und mich usw.).
Für das Eingewöhnen am Anfang einer Paddeltour benötige ich in der Regel 1 bis 2, höchstens 3 Tage, dann geht es in den normalen „Paddelalltag“ über. Ich plane mit 30 km/Tag, tatsächlich schaffe ich aber durchschnittlich über 40 km/Tag, allerdings nur die reinen Paddeltage gerechnet. 2010 waren es im Schnitt 41,07 km/Paddeltag. Seit meiner ersten größeren Seekajak-Reise vor knapp 10 Jahren bin ich mit dieser Methode der Vorbereitung bei der geistigen und körperlichen Fittness sehr gut zurecht gekommen.
|