KN-04 - Der Kompass und wie man ihn benutzt

 

verfasst 2010 - geändert am 07.01.2011

Das Problem mit der Missweisung und der Übertrag des Kurses von der Karte zum Kompass und umgekehrt, scheint allgemein bekannt zu sein. Jeder der in der Schule aufgepasst hat, weiß, dass der magnetische Nordpol mit dem geografischen Nordpol nicht identisch ist. Der Magnetpol liegt irgendwo im Norden Kanadas und verändert ständig seine Position. Je nachdem, wo man sich auf der Erde befindet, ist der Winkel vom magnetischen zum geographischen Pol verschieden groß.

Um mit den Winkeln leichter hantieren zu können, habe ich mich auf einheitliche Begriffe festgelegt. Ich bezeichne als

- „Gitternord“, die in den Seekarten mit Merkatorprojektion identische Linie zu geografisch Nord = Erdme-

  ridian (Das gilt aber nicht für andere Kartenprojektionen!)
- „Kurs oder Kurswinkel“, den Winkel von Gitternord zu meinem Ziel in der Seekarte
- „Kompasskurs“, den Winkel, den ich am Kompass steuern muss, um zu meinem Ziel zu gelangen; es

  ist der Winkel von magnetisch Nord zum Ziel 

 

- „Nadelabweichung“ auch Missweisung = magnetische Deklinationgenannt, den Winkel von Gitternord zu

  magnetisch Nord = Magnetpol =Kompassnord (Die Kompassnadel zeigt nach Kompassnord.)

 

In den Seekarten werden die Nadelabweichungen (Winkel von der Gitterlinie zum Magnetpol) bei der Kompassrose für ein bestimmtes Jahr angegeben - ebenso die jährliche Zu- oder Abnahme diese Winkels. Decken die Karten ein größeres Seegebiet ab, können sogar mehrere Kompassrosen auf der Karte verteilt sein. Man muss dann die für die Navigation nächstliegende berücksichtigen. Vor Beginn einer Reise rechne ich mir die aktuelle Nadelabweichung für dieses Jahr aus und vermerke sie mit Bleistift bei jeder Kompassrose.  

 

Das erspart mir unterwegs die ständige Neuberechnung.

 

Beispiel: Seekarte 1:750.000 Kompassrose bei der griechischen Insel Rodos:

Angabe der Missweisung in der Kompassrose: 2 Grad 50 min E 2000 (2 min E)

Berechnung für 2011: 2 min/a x 11 a = 22 min Ost + 2 Grad 50 min Ost = 3 Grad 12 min Ost

 

Diese Abweichung ist im Mittelmeer minimal. Die Linie der Missweisung (Isogone) mit 0 Grad verläuft zur Zeit vor der Spanischen Ostküste (Balearen) mitten durch Frankreich und an der Westküste von Südnor-wegen. 2010 betrugt in Ostfinnland und Nordostnorwegen die Missweisung bis zu 14 Grad Ost im Mittel-meerraum von 0 Grad vor Spanien bis 4 Grad Ost an der türkischen Ägäisküste. In anderen Seegebieten kann aber die Missweisung enorme Ausmaße (über 20 Grad) erreichen, je mehr man sich den magneti- schen Polregionen nähert (Kanada, Alaska, Südafrika, Neuseeland).

 

Ich habe mir das noch nie merken können: Muss ich die Abweichung der Kompassnadel addiert oder subtrahiert, wenn ich den Kurs von der Karte auf den Kompass oder vom Kompass zur Karte übertragen will.

 

Die Gedächtnisregel der Seefahrer für Kursverwandlungen aus dem Handbuch für den Yachtsport, Verlag Delius Klasing, 1969 lautet:

Nennt man den Kompass-Kurs „falsch“, den missweisenden bzw. den rechtweisenden Kurs „richtig“, so ergibt sich die altbewährte seemännische Gedächtnisregel:

Vom Falschen zum Richtigen: Mit dem richtigen Vorzeichen beschicken!

Vom Richtigen zum Falschen: Mit dem entgegengesetzten Vorzeichen beschicken!

 

Außer mir müssen das scheinbar alle Menschen verstanden haben, denn diese Gedächtnisregel ist seit alters her bekannt und in der Seefahrt gebräuchlich.

 

Es blieb mir nichts anderes übrig, als mir meine eigene Eselsbrücke zu bauen.

Ich behelfe mir dabei mit eine kleinen Skizze.

 

Will ich den mit dem Kursdreieck aus der Karte entnommenen Kurs in den Kompasskurs verwandeln, trage ich an die Gitterlinie möglichst realistisch den Kurs z.B. 116 Grad (bei der heute verwendeten 360 Grad-Teilung zum Glück immer Ost!) und die Nadelabweichung z.B. 3 Grad Ost an (kann aber auch West sein: Iberische Halbinsel, Westfrankreich, England, Irland).

 

Liegt in der Skizze die Nadelabweichung innerhalb des Kurswinkels, wäre der Winkel des Kompasskur- ses zum Kurs kleiner und ich müsste die Nadelabweichung vom Kurswinkel abziehen, um den Kompass- kurs zu erhalten.

 

Beispiel: Überfahrt von der Insel Folegandros zur 39 km entfernten Insel Thira in Griechenland

Kurs 116 Grad Ost, Nadelabweichung 3 Grad Ost - entsprechend der Skizze:

116 Grad Ost - 3 Grad Ost = 113 Grad Ost. Ich muss den Kompasskurs von 113 Grad Ost steuern.

 

Liegt die Nadelabweichung außerhalb des Kurswinkels (also West) müsste ich sie dazuzählen, weil der Winkel des Kompasskurses zum Kurswinkel größer wäre.

 

Beispiel: Überfahrt über den Solway Firth vom Hafen in Silloth zum 12 km entfernten Leuchtturm am Southerness Point an Englands Westküste

Kurs 272 Grad Ost, Nadelabweichung 4 Grad West - entsprechend der Skizze:

272 Grad Ost + 4 Grad (West) = 276 Grad Ost. Ich muss den Kompasskurs von 276 Grad Ost steuern.

 

Wäre die Nadelabweichung = 0 Grad, wie es vor der Ostküste Spaniens, in der Mitte Frankreichs und im Westen von Südnorwegen zu Zeit der Fall ist, könnte ich mich ohne zu rechnen bequem zurücklehen. Eine Verlegung des Paddel-Reviers auf die Balearen wäre, zumindest der einfachen Navigation halber, zur Zei teine gute Option, würden mich nicht die „Ballermänner“ davon abschrecken.

 

Will man umgekehrt vom Kompass-Kurs zur Karte den Kurs mit dem Kursdreieck eintragen, muss genau entgegengesetzt gerechnet und der Winkel der Nadelabweichung hinzugezählt werden, wenn die Nadel-abweichung innerhalb des Kurswinkels liegt, weil der Kompasskurs ja dann kleiner ist, als der Kurswinkel. Liegt die Nadelabweichung außerhalb (West) des Kurswinkels muss sie vom Kompasskurs abgezo- gen werden, um den Kurswinkel zu erhalten, weil der Kompasskurs ja größer ist als der Kurswinkel. Mathematisch muss ich dabei lediglich die Formel umstellen. Ich kann die Rechenfolge aber auch direkt aus der Skizze sehr gut herleiten.

 

Mit Hilfe dieser Skizze lässt sich auch der Fall leicht erklären, wenn die Nadelabweichung größer ist, als der Kurswinkel. In diesem Fall liegt der Kompasskurs westlich von magnetisch Nord. Hier müsste man den Kurs- winkel von der Nadelabweichung abziehen und den errechneten Winkel westlich von Kompassnord antragen. Einfacher lässt es sich rechnen, wenn ich in diesen Fällen zu dem Kurswinkel einen Vollkreis mit 360 Grad dazu zähle, dann liegt die Nadelabweichung wieder innerhalb des Kurses und ich kann die normale, oben beschriebene Rechenoperation durchführen.

 

Beispiel: Überfahrt von der Insel Kielmøya am Eingang des Bøkfjorden (Kirkenes) zur 21 km entfernten Halbinsel Ekkerøy auf der Varangerhalvøya

Kurs 4 Grad Ost, Nadelabweichung 13 Grad Ost - entsprechend der Skizze:

Kurs + 360 Grad (Vollkreis) = 4 Grad Ost + 360 Grad = 364 Grad Ost. Normale Rechnung wie oben beschreiben: 364 Grad Ost - 13 Grad Ost = 351 Grad Ost. Ich muss den Kompasskurs von 351 Grad Ost steuern. Dasselbe gilt natürlich auch wieder für die umgekehrte Reihenfolge. Nur muss man zum Schluss vom Kurs noch die 360 Grad abziehen. Das erreicht man mathematisch durch das Formelumstellen oder leitet es ebenfalls aus der Skizze her.

 

Wie bereits oben beschrieben treten diese Fälle zur Zeit im Prinzip nur in den nördlichsten Regionen Westeuropas auf (Finnland, Nordnorwegen, Nordschweden). Hier sind Nadelabweichungen bis zu 14 Grad Ost möglich.

 

Ich glaube, wenn man sich einmal über die Lage des magnetischen Pols zu Gitternord, also der Nadel-abweichung im Klaren ist, kann man sehr leicht das Zusammenspiel der Winkel (Kurs, Nadelabweichung und Kompasskurs) mittels einer kleinen Skizze zueinander, leicht und schnell klären. Oft reicht es, wenn man sich vor Antritt einer Kajaktour einmal mit den magnetischen Begebenheiten des Reisegebiets be- fasst hat. Dann kann man die Kursberechnungen praktisch automatisch erledigen, ohne viel darüber nachdenken zu müssen.

 

Vielleicht bevorzuge ich neben den warmen Gefilden auch deshalb das Mittelmeer,weil die Nadelabwei- chung in der Region so gering ist, dass man sie nur zum Runden verwenden muss. Bei einem Kompass für einen Seekajak ist die Gradeinteilung sowieso nur in 5-Grad-Schritten angegeben.Genauer lässt sich ein Kurs auf Grund der ständigen Kajakbewegung sowieso nicht steuern.

 

Der Schiffsmagnetismus, auch Deviation genannt, wird beim Seekajaking nicht berücksichtigt, weil anzu- nehmen ist, dass vom Kajak und seiner Ladung kein Magnetismus oder Nadelablenkung durch große Eisenteile vorhanden sind, es sei denn, man verstaut seine eiserne Bratpfanne oder sein lautstarkes Radio unmittelbar unter dem Kompass.