BW-07 - Spleißen - Augspleiß

 

verfasst 2013 - geändert am 04.05.2013

 

Wer „outdoor“ unterwegs ist, hat immer wieder mit Seilen zu tun. In meinen letzten Beiträgen habe ich die geläufigsten von mir verwendeten Knoten und Bünde gezeigt. Heute will ich eine kleine Einführung in das Spleißen von gedrehten Seilen vorstellen. Natürlich taucht dabei sofort die Frage auf, warum spleißen, wenn man doch knoten kann? Nun, es gibt zwei gewichtige Erklärungen dazu:

 

Zu einem hält ein gespleißtes Seil wesentlich besser. Bei einem Knoten reduziert sich die Zugfestigkeit um grob 50 %, im Sicherheitsbereich „Klettern und Bergen“ rechnet man sogar mit bis zu 55 % Verlust. Bei einem Spleiß wird die Bruchfestigkeit kaum minimiert. Im Rettungsdienst plant man aber sicherheitshalber eine Verringerung der Zugfestigkeit von 10 bis 15 Prozent ein.

 

Ein weiterer Grund für einen Spleiß ist die schmale Ausführung der Reparatur wenn ein Seil gerissen ist, seemännisch ist dann ein Ende/Tau gebrochen. Mit einem zusammengeknoten Ende kann man keine Talje, also keinen Flaschenzug mehr benutzen, weil der Knoten nicht durch den Block laufen kann. Mit einem langgespleißten Ende ist das jedoch ohne weiteres möglich. Das hat zumindest in der Zeit der Segelschiffe in der ein Tau noch zu einem teuren Gut gezählt hat, zu einer enormen Kostenreduzierung geführt, wenn man ein gebrochenes Ende hat wieder instandsetzen können. Heute erfährt diese Technik eine Renaissance bei Bushcraft und Survival, vorausgesetzt, man findet dazu das geeignete Material.

 

Anhand eines Augspleißes mit einem Polypropylen-Seil im Trossenschlag (3-kardeelig) mit 8 mm Durchmesser möchte ich das Vorgehen beim Spleißen grob demonstrieren.

 

Als ein Kardeel bezeichnet man nach dem Duden einen einzelnen Strang eines Taues, einer Trosse. Ein Tau wird also aus mehreren Kardeelen zusammengedreht. Die richtige seemännische Bezeichnung dafür nennt man „schlagen“. Ein Kardeel wiederum besteht aus mehreren geschlagenen Fasern, die sich je nach Materiel, insbesondere bei synthetischem Litzen, von selbst aufdröseln und durch einen Talking oder durch Verschmelzen gesichert werden müssen. Die Verarbeitung von drei Kardeelen zu einem Tau nennt man in der historischen Segelschifffahrt „Trossenschlag“, mit vier Strängen wird die Anwendung als „Wantenschlag“ bezeichnet.

 

Ich gehe davon aus, dass bei uns Outdoorfreaks die einzelnen Begriffe eines Seils bekannt sind. Wenn nicht, bitte ich in meinen vorangegangenen Beiträgen zu Bünden und Knoten oder in einer einschlägigen Veröffentlichung nachzulesen.

 

 

Bild 1: Unten: Der Tampen wird vorbereitet. Die Kardeele werden mit einem Konstriktorknoten als Behelfstalking gegen Aufdröseln gesichert. Ebenso wird das weitere Aufdrehen der „Trosse“ mit einem Konstriktorknoten am Beginn des Spleißes verhindert. Oben: Das Auge ist der Größe nach geformt und mit einem Bändsel zusammengebunden. Hier verwende ich ebenfalls den Konstriktorknoten. Links: Ein Marlspieker hilft, die einzelnen Kardeele aufzudrehen, damit man den zugehörigen Strang durchstecken kann. Ich habe diesen Marlspieker an einem einsamen Strand auf Rhodos, ziemlich verrottet, gefunden und ihn als Souvenir mitgenommen und instand gesetzt. Der Gebrauch eines Hilfsmittels ist bei dem von mir verwendeten, relativ dünnen Tauwerk meist nicht notwendig, weil man es auch mit der Hand gut zum Durchstecken der Kardeel-Enden öffnen kann.

 

 

Bild 2: In diesem Detailphoto kann man die Einzelheiten des vorbereiteten Auges erkennen. Die Sicherung gegen das Aufdrehen der Kardeele (weißes Takelgarn) ist nicht zwingend notwendig. Es reicht eigentlich wenn man das Auge mit einem Bändsel (gelb) zusammenbindet. Der Konstriktorknoten ist hier deutlich zu erkennen. Ebenso ist der „Anfangsspleiß“, das erste Durchstecken der drei Stränge, zu sehen.

 

 

Bild 3: Hier sind bereits drei „Spleißrunden“ durchgeführt. Normalerweise reichen drei Durchgänge aus, damit ein Spleiß sicher hält. Bei glatten synthetischen Tauen stecke ich persönlich noch einen vierten Durchgang zur Sicherheit. Es ist zu beachten, dass die durchgesteckten Stränge vorsichtig in mehreren Schritten immer wieder angezogen werden müssen, damit sich die einzelnen Kardeele sauber ineinanderlegen und so das typische gleichmäßige Spleißmuster am Tau erzeugen.

 

 

Bild 4: Der fertige Augspleiß: Damit sich die Kardeele eng zusammenfügen, habe ich den Spleiß zwischen den Händen gedreht und gewalkt. Anschließend sichere ich das Spleißende mit einem Talking (Konstriktorknoten), damit die Fasern der Stränge aus Kunststoff nicht durchrutschen, und schneide den Überstand ab.

 

 

Bild 5: Sichern des synthetischen Tampens gegen Aufröseln: entweder durch Verschmelzen oder durch einen Talking (hier ein genähter Talking mit einem Takelgarn). Beim Weichmachen mit offener Flamme (Kerze, Feuerzeug, usw.) ist darauf zu achten, dass die einzelnen Kabelgarne nicht separat abschmelzen, sondern im heißen Zustand mit den Fingern (eventuell Handschuhe anziehen) zusammengeklebt werden. Besser wäre da einen Lötkolben zu benutzen, den man aber unterwegs wohl nicht mitführt. Das versehentliche Abschmelzen der einzelnen Litzen kann man am Tampen unten erkennen. Ich persönlich verwende lieber einen nostalgischen Talking, oder wie in diesem Bild sogar beides, Verschmelzung und Talking. Dadurch wird der Tampen steifer und man kann ihn leichter bei den einzelnen Knoten durchstecken. Dasselbe gilt auch für die vorbereitende Hitzebehandlung der einzelnen Kardeele für das Spleißen. Wenn die Fasern nicht sauber verklebt sind, und die Kabelgarne sich beim Durchstecken selbständig machen, hat man sicherlich ein großes Problem mit dem Aufdröseln. Auch hier schlage ich lieber einen Behelfstalking an, wie er im Bild 1 gezeigt ist. Erstens ist der schneller geknotet, als mit einem Feuerzeug hantiert werden kann und das Durchstecken wird wesentlich erleichtert, weil keine Fasern ab- oder ausbrechen, die durch die Hitze geschwächt worden sind.

 

 

Bild 6: Die Arbeit von rund eineinviertel Stunden, einschließlich den Vorbereitungen an den Tampen, wie in Bild 1 beschrieben: sechs Augenspleiße und zwei Talkings mittels „Feuer und Takelgarn“.

 

Natürlich sind meine Erklärungen nur sehr oberflächlich. Es gibt hierzu eine große Anzahl von Büchern und sonstigen Veröffentlichungen, sicherlich auch im Internet, die das Spleißen sehr genau beschreiben und eine Menge von zusätzlichen Hinweisen enthalten. Ich möchte aber mit dieser kleinen Einführung dazu animieren, sich selbständig in die Materie einzuarbeiten, so wie ich es vor über 45 Jahren auch getan habe. Nach einiger Übung (neuhochdeutsch: „learning by doing“) wird man erkennen, worauf es beim Spleißen ankommt und wie man seine Technik perfektionieren kann.

 

Mir persönlich macht es Spaß, auch mit über 60 Lebensjahren noch Neues zu lernen, Altes zu verbessern und etwas in eigener Regie fabrizieren zu können und es nicht teuer kaufen zu müssen oder von einem Fremden machen zu lassen - das spart Geld und erweitert das Wissen und man wird dadurch mit der Zeit immer selbständiger, was ich als mein angestrebtes Ziel anvisiert habe.