KW-02 - Wellen auf dem Meer und an der Küste
verfasst 2010 - geändert am 07.01.2011
Wieder ist Nigel Foster in seinem Buch „Seekajak“, 2. Auflage, 2001, Pollner-Verlag im Kapitel: „Wellen“ eine anschauliche Beschreibung dieser Phänomene gelungen. Als Brite benutzt er viele englische Ausdrücke, die ich absichtlich belassen habe. Vielleicht ist es dann leichter, mit Kanuten von der Insel zu kommunizieren, die immer häufiger im Mittelmeer anzutreffen sind. Vermutlich ziehen heutzutage Engländer, wie auch ich, wärmere Gefilde vor.
Ich habe versucht, den Text ein wenig übersichtlicher zu gestalten und unscharfe Textstellen, die vermutlich von der Übersetzung herrühren, mit kleinen Ergänzungen zu verdeutlichen. Die Passagen, die sich auf Paddel-Training und Spiel-Boot-Fahren beziehen, habe ich weggelassen, weil es in diesem Beitrag ausschließlich um die Information über die Wellenarten und deren Besonderheiten geht. Einige Anmerkungen sind außerdem wieder in eckige Klammern „[...]“ gesetzt.
Nigel Foster:
Es gibt drei Gruppen von Meereswellen:
1 - windangeregte Wellen, die durch den Wind vor Ort entstehen;
2 - Dünung, die durch Winde, die weit entfernt stürmen, entsteht;
3 - Wellen, die durch Wasserströmungen entstehen, wie z.B. Gezeiten und Meeresströmungen.
Betrachten wir zunächst die Wellen im Tiefwasser. Den Wellentyp, der normalerweise dort vorherrscht, bezeichnet man als Gravitationswellen. Sie laufen noch weiter, selbst nachdem der Wind abgeflaut ist. Sie sind jedoch nicht so schnell wie der Wind, durch den sie entstanden sind. Trotzdem überholen sie des öfteren die Wettersysteme, um die die Winde zirkulieren und können das Festland lange vor der Wetterfront erreichen; dort sind sie die Vorboten.
Oberflächenwellen dagegen sind kleine Wellen, die über die Oberfläche laufen und böigen Wind ankündigen. Sie laufen so schnell wie der Wind, der sie entstehen lässt und warnen so vor plötzlichen Windstößen. Sobald sich der Wind legt, flauen auch sie ab.
Die Höhe der Gravitationswellen hängt von verschiedenen Faktoren ab.
1 - Windstärke. Je stärker der Wind, desto mehr Energie ist vorhanden, um Wellen aufzubauen. Die Windstärke wird daher anhand der Dünung bestimmt.
2 - Windwirkstrecke (=Fetch). Es handelt sich hierbei um die Distanz, über die der Wind weht. Winde in Sturmstärke werden in kleinen Teichen [auch in kleinen Buchten und in Meerengen mit Ausnahme wenn der Wind parallel zur Küste bläst] nie große Wellen aufpeitschen können; anders jedoch auf offener See.
3 - Winddauer. Bei stetigem Wind wird erst nach einiger Zeit die maximale Wellenhöhe erreicht. Bei Winden in Sturmstärke kann es 2 Tage dauern, bis die Wellen die maximale, der Windstärke entsprechende Höhe erreicht haben.
4 - Die Höhe der Wellen wird gedämpft, wenn diese auf Wellen, einen Gezeitenstrom oder eine andere Strömung aus der Gegenrichtung treffen. Auch schwerer Regen oder Schnee haben diese [dämpfende] Wirkung. Kommen Winde und Wellen aus der selben Richtung, ist die Wellenhöhe niedriger.
Vom Wind vor Ort aufgebaute Wellen sind eher unregelmäßig und chaotisch und besitzen scharfe Kämme, besonders während der Wind dreht. Der Wind ist von Wettersystemen, um die er herumzirkuliert, abhängig. Von den Wettersystemen laufen Wellen in alle Richtungen aus; manchmal laufen sie ineinander und verstärken sich; manchmal laufen sie gegeneinander und schwächen sich ab. Seefahrer bezeichnen diese recht chaotische Wellenbrutstätte als „See“. In einiger Entfernung dieses „Wellengenerators“ beginnen die Wellen jedoch regelmäßiger zu werden und ein Muster zu bilden, Die Wellenkämme runden sich mehr und mehr ab. Man bezeichnet diesen Wellentyp als „Dünung oder Schwell“. Die Wellen können über Tausende von Meilen laufen, dabei erhöht sich ihre Länge (Abstand von einem Kamm zum nächsten) und ihre Geschwindigkeit. Bei junger Dünung sind die Wellen steiler, langsamer und kürzer, als bei ausgereifter. Ausgereifte Dünung erreicht Geschwindigkeiten von über 50 Knoten, und es sind Perioden (die Zeit des Durchgangs eines Wellenkammes bis zum nächsten) von 30 Sekunden gemessen worden.
Da Wellen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten laufen, holen die schnelleren Wellen langsamere ein und überholen sie. Wenn eine Welle eine andere einholt, erhöht sich die daraus resultierende Welle. Sind die Phasen der Wellen verschoben und ein Wellenkamm trifft auf ein Wellental aus einem anderen Wellenmuster, so heben sie sich gegenseitig auf. So entsteht eine Reihe größerer Wellen, die man als Reihe bezeichnet, gefolgt von einer Flaute, während der die Wellen merklich kleiner oder nicht vorhanden sind. Je mehr die Dünung ausgereift ist, desto länger dauern die Flauten zwischen den Wellenreihen. Aus diesem Grunde ist das Anlanden und Starten bei ausgereiftem Wellengang einfacher, vorausgesetzt, das „Timing“ stimmt. [Dieser Wellentyp wird am Schluss dieses Beitrags nochmals genauer beschrieben, weil er für uns Kajakerinnen und Kajaker mit den „Hohen Drei“ von großer Bedeutung ist, insbesondere wenn wir parallel zur Wellenfront paddeln müssen, was bei Überfahrten von größeren Buchten oft der Fall ist.]
Manchmal trifft Dünung aus zwei völlig verschiedenen Richtungen aufeinander. Aus Gründen der Verein-fachung nehmen wir an, dass die Wellen im rechten Winkel aufeinander treffen. Trifft ein Wellenkamm auf ein Wellental, so hebtsich die Amplitude auf. Wenn jedoch ein Wellenkamm mit einem anderen Wellenkamm zusammentrifft, wird die Welle höher. Wo ein Tal einanderes Tal kreuzt, entsteht ein besonders tiefes Loch. Die daraus resultierende See besteht dann nicht aus einfachen Wasserwänden,sondern aus einem Kreuzmuster von Wellenbergen. Eine solche „Kreuzsee“ bietet nicht nur ein anderes optisches Bild, es ist auch anders, in ihr zu paddeln.
Brechende Wellen
1 - Wellen im Flachwasser
Dünung beginnt ihre Form zu verändern, wenn die Wassertiefe unter die halbe Wellenlänge sinkt, Zum Beispiel wird eine Welle mit einer Länge von 90 m Grundberührung haben, wenn die Wassertiefe kleiner als 45 m ist. Bei Grundberührung verlangsamt sie sich [Das Wasser staut sich deshalb bei Grundberührung auf.], ihre Höhe nimmt zu, während ihre Länge abnimmt. Ist im Tiefwasser die Länge mindestens fünfzig Mal größer als die Höhe der Welle, so wird ihre Höhe beim Auftreffen auf flacheres Wasser ansteigen. Die Welle wird steiler, bis das Wasser ungefähr 1,3 mal so hoch ist wie die ursprüngliche Welle, dann bricht sie. Durch auflandige Winde [Seewind] können Wellen auch in tieferem Wasser brechen, selbst wenn die Wassertiefe die doppelte Wellenhöhe beträgt. Ablandige Winde [Landwind] können bei ausgereifter Dünung mit großen Wellenlängen ein Brechen verhindern, bis die Wassertiefe weniger als drei Viertel der Wellenhöhe beträgt.
Die Art und Weise, wie eine Welle bricht, wird durch die Struktur des Meeresgrunds bestimmt. An Surfstränden zum Beispiel, steigt der Boden sanft an, die Welle wird langsam steiler, bis sie in einiger Entfernung zum Ufer bricht. Steigt der Meeresboden steil an, wird auch die Welle abrupt steiler und fällt sofort darauf in sich zusammen; sie bricht mit explosiver Kraft direkt auf den Strand. Solche Wellen bezeichnet man als „Brecher oder Dumper“. Sie können sehr gefährlich werden, da sie oft starke Unterströmungen (Strömungen, die am Meeresboden entlang ins offene Meer hinauslaufen) erzeugen.
Einzelne, unter der Wasseroberfläche liegende Felsen werden normalerweise auf der Seekarte einge-zeichnet. Bei Dünung ist es wichtig, sich ihre Position gut einzuprägen. Die Felsen können von genügend Wasser bedeckt sein, so dass nur besonders hohe Wellen mit großer Kraft gebrochen werden und die kleineren Wellen ungestört darüberlaufen. In Amerika werden solche Wellen „Boomers“ genannt. Ich selbst bin im Südwesten Cornwalls und in Island von solch einer hohen, brechenden Grundsee überrascht worden. Beide Situationen waren so dramatisch, dass ich sie nie vergessen werde. Vorsicht!
Es ist wichtig, sich die Symbole für die Felsen genau einzuprägen, die mit dem Gang der Tiden einmal über, einmal unter Wasser liegen, die bei Kartennull überspült sind, oder die bei Kartennull 2 m oder weniger unter Wasser liegen. Diese Felsen sind meistens für die Entstehung von Boomern verantwortlich, je nachdem, wie weit sie unter Wasser liegen und je nach Tidenstand.
Wellen werden an Klippen und Steilküsten zurückgeworfen und treffen auf ankommende Wellen. Obwohl sich aufgrund der ausreichenden Wassertiefe jede einzelne der Wellen stabilisieren könnte, ist dies nicht mehr möglich, wenn sich zwei steile Wellen miteinander verbinden und sich dadurch noch höher auftürmen. Das Ergebnis ist eine plötzlich instabil werdende Wassermasse, die in alle Richtungen explodiert. Dieses Phänomen bezeichnet man als „Clapotis oder hohe brechende Kreuzsee“.
2 - Durch Wind hervorgerufene, brechende Wellen
Auf offener See bestimmt die Windgeschwindigkeit Beschaffenheit und Frequenz der brechenden Wellen. Wir schätzen die Windgeschwindigkeit, indem wir die Wellenbewegung einer solchen See beobachten. [Die Windgeschwindigkeit wird in der Beaufort-Skala angegeben, in der auch die Wellenbilder der 13 Beaufort-Stufen aufgeführt sind; z.B.:Windstärke von 6 Beaufort (bft) entspricht einer Windgeschwindigkeit von 22 - 27 Knoten, ca. 40 - 50 km/h. Das Wellenbild wird folgendermaßen beschrieben: „Lange Wellen beginnen sich zu bilden, Kämme brechen und hinterlassen größere weiße Schaumflächen, etwas Gischt“.]
3 - Wellen, die durch strömendes Wasser entstehen
Wird eine Gezeitenströmung durch eine Engstelle in einem Kanal beschleunigt, so entstehen Wellen. Es handelt sich dabei normalerweise um steile, stehende Wellen, oft mit brechenden Kämmen, die den im Englischen sogenannten „Haystacks oder stehenden Wellen“ auf Wildwasserflüssen ähnlich sind. Echte stehende Wellen bleiben in der Stromschnelle [der Flüsse] immer am selben Ort, auf dem Meer jedoch komplizieren die zusätzliche Dünung und windgetriebene Wellen das Muster, so dass wir dort Wellen haben, die stromaufwärts laufen. Eine solche Engstelle und das raue Wasser in ihrer Umgebung wird als „starker Gezeitenstrom oder Stromkabbelung“ bezeichnet. Das schnellfließende Wasser wirkt ähnlich wie ein Strand, indem es die Basis der Welle so verlangsamt, als ob sie Grundberührung hätte. Dadurch türmt sich die Welle steiler auf - oft bis zu dem Punkt, an dem sie zu brechen beginnt, und der Abstand zwischen den Wellenkämmen wird verringert.
Ein sogenannter „Overfall“ (Strömung über Untiefen) entsteht dort, wo Gezeitenströmungen über eine Kante oder Sandbank gedrückt werden. Die Beschleunigung des Wassers lässt Wellen entstehen, die jenen eines starken Gezeitenstroms ähneln. Baut sich Wasser jedoch hinter einer steilen Kante auf und fällt nach unten, dann entsteht ein vertikal zirkulierendes Kehrwasser. Man bezeichnet dieses Phänomen wie auch im Wildwasser als „Walze“. Die durch die Dünung hervorgerufene Interferenz [Interferenz = Überlagerung] lässt diese sich ständig brechende Welle an- und abschwellen, so dass die Fallhöhe des Wassers und damit der Rücksog der Walze ständig wechselt.
Stromkabbelungen und Overfalls
Die typischen Merkmale von „Stromkabbelungen“ (Gezeitenströme) ähneln denen von Wasser, das in einem Flussbett fließt. An Stellen, an denen der Fluss in seiner Tiefe oder Breite verengt wird, erhöht sich seine Fließgeschwindigkeit. Eine Stromkabbelung entsteht zwischen zwei Ufern oder durch Wasser, das um eine Landspitze herumgedrückt wird. Man bezeichnet sie als „Overfall“, wenn eine Verringerung der Wassertiefe vorliegt.
Diese starken Strömungen und auch die Overfalls sind potentielle Gefahrenstellen, an denen vor allem bei Dünung oder Wind besondere Vorsicht angebracht ist. Die See gebärdet sich am unruhigsten, wenn der Wind gegen den Flut- oder Ebbstrom bläst. Sie ist sehr viel rauer, als es bei der herrschenden Windgeschwindigkeit zu erwarten wäre. Selbst eine leichte Brise gegen einen Strom oder einen Overfall reicht aus, um sie aufzupeitschen. Obwohl ein Wind, der mit dem Flut- oder Ebbstrom bläst, die Wellen glättet, ist die See an jenen Stellen mit großer Wahrscheinlichkeit rauer als in anderen Bereichen. Wellen brechen gegen die Tide; paddelt man also mit dem Strom, so erwischt man die brechenden Wellen von vorne.
Plant man eine Tour, die auch durch solche Gegenden führt, sollte man über die Windrichtung relativ zur exakten Strömungsrichtung in der Stromkabbelung oder im Overfall genau Bescheid wissen, da die Strömungsrichtung nicht immer der Küstenlinie folgt. Rettungsaktionen in Stromkabbelungen und Overfalls können zu Problemen führen; deshalb sollte man in der Lage sein, das Können der einzelnen Gruppenmitglieder einzuschätzen und im Zweifelsfall abwarten, bis der Strom nachgelassen hat oder den gefährlichsten Bereich umgehen, indem man sich nahe am Ufer hält oder weit auf das Meer hinausfährt, wo die Strömung bereits sehr viel schwächer sein kann. Man sollte sich den Tourenführer gut durchlesen und möglichst vor Ort Erkundigungen einholen.
Sicherheit
Stromkabbelungen und Overfalls können Probleme verursachen. Es ist nicht immer einfach, die an einem Ort vorherrschenden Bedingungen vorherzusagen, wenn das Meer an einem anderen Ort ruhig ist. Man sollte daher nach Anhaltspunkten suchen, wie zum Beispiel eine leichte Dünung, die das Boot sanft und nahezu unmerklich hebt und senkt, die aber in Stromkabbelungen und Overfalls zu schwerer See werden kann. Dünung lässt sich oft am leichtesten in der Nähe von Felsen und Klippen feststellen, an denen das schäumende Wasser mit erstaunlicher Kraft hochspritzt. Nähert man sich dem Strom, sollte man sich bereits eine Strategie zurechtgelegt haben und die ausgewählte Route noch einmal genau überprüfen. Bestehen Zweifel bezüglich der Sicherheit der Route, so sollte man sich aus der Gefahrenzone zurückziehen, bevor es zu spät ist. Das glatte Wasser in der Nähe einer Strömung kann sehr schnell fließen! Einigen Sie sich auf die Verwendung von Handzeichen. Im Falle einer Kenterung ist der Havarist sehr viel besser sichtbar, wenn er sein Paddel senkrecht über dem Kopf hält. Ein umgekipptes Kajak mit Schwimmer kann selbst auf kurze Distanz schwer auszumachen sein. Unter rauen Bedingungen ist es oft weder angebracht noch sicher, nahe genug zusammenzubleiben, um sich mit Rufen und Pfeifen verständigen zu können. Hochseerettungen können ebenfalls schwierig und gefährlich sein. Man benötigt eine lange Schleppleine, um einen Schwimmer in ruhigeres Wasser zu bringen, oder um abzuwarten, bis er durch den schlimmsten Bereich einer Stromkabbelung hindurchgespült worden ist.
Beim Einfahren in eine schnelle Strömung kann eine Gruppe sehr leicht auseinandergezogen werden. Ein Seekajak legt in einer Stromkabbelung 100 m in 15 Sekunden zurück. Diesen Zeitraum benötigt der nächste Paddler allein, um sich auf das Überqueren der Verschneidungszone vorzubereiten. Gruppen, die nahe zusammenbleiben wollen, sollten die Verschneidungszone entweder gleichzeitig oder in sehr kurzen Abständen überqueren und dabei einen spitzen Winkel wählen, um in der Strömung zu „seilfähren“. Die Gruppenmitglieder können dann ihre Boote gleichzeitig stromabwärts drehen lassen und weiterpaddeln.
An kleinen Landspitzen entstehen während der Springtiden oft erhöhte Strömungen, die in Seekarten nicht immer als Overfalls oder starke Strömungen eingetragen sind.
Schließlich sollte man auch nicht vergessen, dass die Kraft einer Strömung von folgenden Faktoren abhängt:
1 - Windstärke und Windrichtung
2 - Dünung
3 - Kraft derGezeiten; nicht nur von Spring- oder Nipptiden, sondern auch davon, in welchem Stadium
sich Ebbe bzw. Flut befinden. Man sollte sich vor Ort über jede Strömung und jeden Overfall
informieren.
4 - Höhe der Tide. Bei einigen Overfalls bestehen nur bei bestimmten Wassertiefen erhöhte Gefahr; bei
Nipptiden dauern diese Perioden länger als beiSpringtiden.
Wellenablenkung (Wellenrefraktion)
Treffen Wellen auf eine Küstenlinie, so wird ein Ende zuerst Grundberührung haben und sich verlangsamen. Dadurch wird die Weile gezwungen, sich dem Küstenverlauf anzupassen. Dies bezeichnet man als Wellenablenkung oder Wellenrefraktion [Refraktion = Brechung/Ablenkung/Beugung an Grenzflächen]. Aufgrund der Wellenablenkung werden Wellen um über 180 Grad um eine Landzunge herumgedrückt und erreichen so Strände,die eigentlich absolut geschützt liegen. Die Wellenablenkung kann Wellen so weit um Landzungen oder kleine Inseln herumzwingen, dass sie fast senkrecht auf die „geschützte“ Seite auftreffen, und so Clapotis erzeugen. Die Refraktion ist auch für die Hufeisenform der Wellen, die über einzelne Felsen brechen, verantwortlich.
Die Wellenrefraktion an einem Surfstrand kann zur Entstehung von Konvergenzbereichen [Konvergenz = Annäherung, Übereinstimmung] führen. Dort werden die Wellen zusammengedrückt und wachsen dadurch an. Ebenso möglich ist die Bildung von Divergenzbereichen [Divergenz = Auseinandergehen], die Fahrwege zum Strand entstehen lassen, an denen es keine besondere Brandung gibt. Solche Divergenzhauptzonen sind ideale Start- und Anlandeplätze in Brandungszonen. Sie sind normalerweise nur an Stellen anzutreffen, an denen sich vor der Küste Sandbänke befinden.
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Das Buch „Seemannschaft“,1969, Delius-Klasing-Verlag erklärt die auf dem Meer anzutreffenden Wellen-gruppen und das Gesetz der Brecher in diesem Wellensystem etwas genauer als bei Foster dargestellt. Ich halte das Wissen über die Gesetzmäßigkeit dieses Wellentyps für uns Seekajak-Fahrerinnen und -Fahrer besonders wichtig, werden wir doch mit diesen Wellen regelmäßig konfrontiert, insbesondere bei Überfahrten von Insel zu Insel und über weite Buchten in der Ägäis, im Ionischen und im Tyrrhennischen Meer. Außerdem laufen sie, wie oben beschrieben, auch an der Küste auf und können das Ein- und Ausbooten erschweren. Anmerkungen sind wieder in eckige Klammern „[...]“ gesetzt.
Seemannschaft - Das Gesetz der Brecher:
Der Seegang besteht nicht aus einzelnen Wellen, sondern aus Gruppen von mehreren Wellen, „Wellenpaketen“. Diese zeigen ein besonderes Verhalten, das man kennen muss. Eine Wellengruppe besteht aus etwa sieben Wellen, die merklich höher sind als alle andern. In einer Gruppe sind meistens die inneren drei die höchsten, die unangenehm werden können, wenn sie zum Brechen kommen. [Das sind die „Hohen Drei“, vor denen ich so Respekt habe.]
Die einzelnen Wellen einer Gruppe sind nicht beständig, so dass sie nicht über große Seeräume hinweglaufen, sondern sie sind vergängliche Gebilde. Jede einzelne Welle durchläuft die Gruppe in Windrichtung so, dass die Gruppe nur mit der halben Geschwindigkeit einer Einzelwelle fortschreiten kann. Das erscheint auf den ersten Blick kompliziert, aber man braucht nur zu beobachten, wie langsam eine brechende See voranrollt. Während die Gruppe wandert, verschwindet die vorderste Welle hauptsächlich deshalb, weil sich ihre Energie dadurch erschöpft, dass sie das vor ihr liegende Wasser in Bewegung setzt. Die nächste Welle der Gruppe übernimmt dann die Führung, und nacheinander übernimmt immer die folgende die Energie von der vorhergehenden. Darum ist die Geschwindigkeit der gesamten Wellengruppe nur halb so groß wie die der Einzelwellen. Bricht beispielsweise die vorderste Welle, so überläuft danach die direkt nachfolgende Welle die zuvor übergebrochene und setzt sich in Windrichtung, also in Lee, hinter die übergebrochene, um dort ebenfalls überzubrechen. Das Spiel wiederholt sich, bis die letzte Welle der Gruppe, vorne angelangt ist. Dabei bildet sich ein längerer Streifen übergebrochenen Wassers, in dem es für einige Zeit ruhiger sein wird. Dies ist der geeignete Augenblick zum Wenden beim Aufkreuzen. Es hat sehr lange gedauert, bis man das Gesetz der Brecher erkannte.
Erfahrungen von Ozeanseglern zeigen, dass bei schwerem Wetter eine Yacht etwa alle halbe Stunde von einer brechenden See eingedeckt wird. Sollte das Boot dabei viel Wasser machen, hat man unmittelbar danach immer die Möglichkeit zu lenzen; denn es wird etwa eine halbe Stunde vergehen, ehe die neue brechende See einsteigt.
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Die im letzten Absatz erwähnte halbe Stunde gilt allerdings nur auf hoher See. In beengten Verhältnissen wie in Buchten sind die Intervalle der „Ruhephasen“ mit den angenehm niedrigen Wellen kürzer; das heißt aber auch, der Paddler wird mit den „Hohen Drei“ öfters belästigt. In der Regel ist im buchten- und inselreichen Mittelmeer, in dem sich Kanuten tummeln, der Fetch noch nicht so lang, dass er diese „hohen Seen“ aufbauen kann, es sei denn, der Wind treibt die Wellen vom offenen Meer direkt in die Bucht. Dann allerdings ist mit dem Schlimmsten zu rechnen. Zum Glück kommt das aber relativ selten vor.
Am gefährdetsten dabei sind im Mittelmeer die Westküsten Griechenlands und Italiens, mit ihren vorgelagerten Inseln - auch Korsika, Sardinien und Sizilien sind davon betroffen. Hier können sich bei Westwinden, mit einer offenen Wasserfläche von über 500 km, die Stürme Libecciu und Ponente aufbauen, die dann gewaltige Massen am Wasser transportieren, mit den oben beschriebenen Auswirkungen.
Mit dem entsprechenden Wissen über Wetter, Wellen, Brandung und über die Besonderheiten vor Ort sollte man sich aber dennoch nicht aufhalten lassen, eine Küsten-Paddeltour in den genannten Gebieten zu planen und auch durchzuführen.